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Das geistige Bevormuudungssystem war der tieferliegendc Grund, warum
die Plastik in Oesterreich in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhun-
dertes zu einer einigermassen erfreulichen Entwicklung nicht gebracht
wurde und nicht gebracht werden konnte. Die Consequenzen machten sich
auch der Dynastie gegenüber geltend; das seit langer Zeit in Aussicht
gestandene Monument für Erzherzog Karl wurde erst in einer Zeit aus-
geführt, wo das geistige Bevormundungssystem gebrochen war.
Das Denkmal Schwarzenberg's, des Führers der verbündeten Heere
im deutschen Befreiungskriege, wurde gleichfalls erst in einer späteren
Zeit zur Ausführung gebracht. Man liebte es damals nicht, derartige
Thaten durch ein Denkmal zu beleben, welche die Befreiung der deut-
schen Nation von der Napoleonischen Gewaltherrschaft herbeigeführt haben.
Die ganze grosse Periode, von der Zeit an, in welcher Zauner sein Josefs-
Monument entwarf, bis zur Errichtung des Erzherzog Karl-Monumentes
auf dem äusseren Burgplatz, war durch nichts gekennzeichnet als durch
das Monument für Andreas Hofer in der Franziskaner-Kirche in Innsbruck
und durch das höchst mesquine Denkmal, welches dem General Chasteller,
einem der Führer im Aufstande der Tiroler im Jahre 1809 in der Kirche
ai Frari in Venedig gesetzt wurde. Alle anderen Denkmale von einiger
Bedeutung wurden ausschliesslich Italienern zugewiesen und auch in Ve-
nedig oder Mailand ausgeführt, wie die Denkmale für Tizian von Canova
gleichfalls in der Kirche ai Frari und das Denkmal Kaiser Franz des l.
auf dem inneren Hofburgplatz in Wien. Das von Canova entworfene Mo-
numenvfür Napoleon den l. wurde im Depöt der Mailänder Akademie,
in der Brera, sorgfältig versperrt, und kam erst an das Tageslicht, als
Oesterreich mit Hilfe der Franzosen die Lombardie verloren hatte. Das
seit langer Zeit projectirte Denkmal des Palatin Erzherzog Josefs wurde
glücklicherweise so hinausgeschoben, bis es keinen Palatin mehr gab. Das
Denkmal für Erzherzog Johann wird erst in unseren Tagen ausgeführt,
und die Denkmäler, welche die Schlachten von Kulm und Nollendorf und
die Erinnerung an die tapfere Vertheidigung eines Blockhauses bei Pon-
teba verewigen, kamen der Bildhauerkunst in nur sehr geringem Masse zu
statten. Kein Denkmal erinnert an die Erhebung des österreichischen Volkes
im Jahre 1809, die Schlachtfelder von Wagram und Aspern waren damals
schmucklos geblieben. Die österreichische Geschichtsforschung war durch
die Censur gehemmt und flüchtete sich nach Deutschland, es schien fast,
als ob sich Oesterreich vor seiner eigenen Geschichte fürchtete, und so
ging man der monumentalen Plastik und dem Schaffen von Denkmälern
systematisch aus dem Wege. Dass unter diesen Umständen, bei der voll-
ständigen Erlahrnung des öffentlichen Geistes, es an allen natürlichen Ver-
anlassungen zu plastischer Thätigkeit fehlte, liegt klar vor Aller Augen.
Von einem autonomen Gemeindeleben war in den damaligen Zeiten keine
Rede und die Kirche stand damals nicht minder unter der Bevormundung
des Staates. Der Kirchenbau wurde als ein Nützlichkeitsbau betrieben,