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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 136)

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Schritte an schon in einer viel günstigeren Lage als die Plastik. Schon 
vor dem Jahre 1848 befreiten sich die Wiener Architekten von dem lo- 
calen Particularismns, und es ist ein Zeichen ihrer Bildung, dass sie sich 
nicht engherzig abschlossen, wie dies in Berlin der Fall ist. Ludwig 
Förster, ein Preusse von Geburt, gründete schon im Jahre 1835 in Wien 
die Allgemeine österreichische Bauzeitung. An derWiener Akademie lehrten 
drei Architekten, die alle der modernen deutschen Kunstrichtung ange- 
hörten; zwei von ihnen, Eduard van der Nüll und Siccardsburg, er- 
warben sich um die Wiener Kunst unvergängliche Verdienste, nicht blos 
durch die Belebung des künstlerischen Geistes unter den Architekten, son- 
dern wesentlich dadurch, dass sie die Kraft hatten, in der Akademie eine 
Schule im eigentlichsten Sinne des Wortes zu bilden. Bis auf den heu- 
tigen Tag sind es diese Schüler der Akademie, die an dem ganzen Bau- 
leben Wiens in hervorragender Weise theilnehmen. Später trat in den Kreis 
der akademischen Lehrer Friedrich Schmidt, ein Schwabe von Geburt, 
ein, der im Bauleben Wiens noch gegenwärtig eine dominirende Stellung 
einnimmt. 
Die Wiener Architekten vertraten verschiedene Richtungen; die mo- 
derne, der Renaissance zustrebende Architektur fand in Van der Nüll, 
Ferstel, Hasenauer, Schwendenwein u. A. ihre Führer, der Classicismus 
in Hansen und die Gothik in Ferstel und Friedrich Schmidt. Durch das 
Wirken dieser Männer hat die grosse Architektur in Wien einen wunder- 
baren Aufschwung genommen; aber diese Lichtseiten der Stadterweiterung 
hatten auch ihre Schattenseiten. Die Bauthätigkeit überstürzte sich bald; 
die Baugesellschaften förderten -und das lag in ihrer Natur - mehr den 
Geschäftsgeist als das "künstlerische Element, und dadurch traten auch 
Erscheinungen auf dem Gebiete der Architektur hervor, welche das künst- 
lerische Element abschwächten. Die Zahl der Architekten wuchs mit den 
Baugesellschaften; halbfertige Zöglinge der Architekturschule verliessen 
ihre Studiensäle, um sich dem überreizten Bauleben in die Arme zu werfen. 
Diese Verhältnisse mussten auf die Bildhauerei Einfluss haben und die 
Stellung der Plastik zur Architektur verrücken. ' Die Plastik kam in Ge- 
fahr, ihre Selbstständigkeit zu verlieren und zu einer dienenden Kunst 
herabzusinken. Nur bei wenigen Bauten kam die Plastik zu selbsteigener 
Geltung, am meisten bei dem Hofoperntheater und der Votivkirche. Der 
Natur der Sache nach konnte die Bildbauerkunst bei der Stadterweiterung 
erst dann einen bedeutenden Antheil nehmen, als die Baugesellschaften 
schon das Bauwesen in ihre Hände genommen hatten. Das einzige her- 
vorragende Talent für Plastik, das an der Grenze der Bewegungsjahre 
selbstständig auftrat, brachte es nicht zu jenen reinen Resultaten, welche 
sein unzweifelhaft grosses Talent versprochen hatte ä wir meinen den 
Kärntner Hans Gasser, der mit seinem Jugendwerke, dem Faustkämpfcr, 
seine Laufbahn glänzend begann, sie aber nur mit ungleichen Erfolgen durch- 
führte. Die geistige Schulung, die ihm fehlte und der Geschäftsgeist, der
	        
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