Bei der figuralen Plastik treten überdies noch Schwierigkeiten anderer
Art hervor. Sie sind theilweise durch die allzuweit getriebene Theilung
der Arbeit herbeigeführt, theils liegen sie in der Natur der figuralen
Plastik selbst. In der Renaissance- und Barockzeit war es gewisser-
massen selbstverständlich, dass der Bildhauer jedwede architektonische
und decorative Aufgabe durchzuführen vermochte. Seine Bildung eben
war eine universelle, breit angelegte; sie umfasste das Gebiet des Orna-
mentes nicht minder als das des Figuralen, die Zeichnung nicht minder
als die Architektur. Die Universalität der Bildhauer war eben mit das
Geheirnniss ihres Erfolges. Aus der grossen Zahl der Beispiele führen
wir nur eines, ganz bezeichnendes an, das des Bildhauers Alessandro Vit-
toria, des berühmten Zeitgenossen Tizian's, dessen drei Terracotta-Porträt-
Büsten jedem Besucher des Museums erinnerlich sind. Die Nennung des
Namens genügt, um die grossen Decorationsarbeiten dieser Zeit, die Scala
d'oro u. s. f. in's Gedächtniss zu rufen. Bei den Lombardis war es ebenso
der Fall, wie später bei Bernini. In unseren Zeiten hingegen ist die
weitgetriebene Theilung der Arbeit ein wirklich grosses Hinderniss des
Fortschrittes in der Plastik; es ist dies in der Wissenschaft nicht minder,
als in der Kunst, wie es unter den Aerzten, unter den Geologen, Philo-
logen Specialisten gibt, die in der Einseitigkeit ihrer Fachentwicklung den
Ueberblick über das Ganze und Grosse verloren haben. So verengten sich
auch bei denjenigen, welche die f-igurale Plastik treiben, wie die Gesichts-
kreise, so auch ihre Wirkungssphäre und ihre Lage verschlimmerte sich
insoferne, als sie immer mehr und mehr in die Abhängigkeit der Archi-
tekten kamen und das Bedürfniss nach selbstständigen plastischen Aufga-
ben überhaupt geringer an der Zahl ist, und in Wien noch mehr als in
irgend einer anderen Großstadt. Das Wiener Publicum hat, wie gesagt,
wenig Verständniss für Plastik; die Porträtbüste wird jetzt erst mit Erfolg
betrieben, nachdem sich einige Bildhauer, insbesondere Tilgner, auf diesem
Gebiete hervorgethan haben. Der Cultus der Gräber, der in Berlin und
München so erfolgreich betrieben wird, ist in den Händen der Steinmetzen
und selten begegnet man auf den Friedhöfen Wiens Werken der figura-
len Plastik, auf welche das Auge eines Kunstfreundes mit Wohlgefallen
blicken könnte. Es ist dies ein Gebiet, auf das man nicht lebhaft ge-
nug die Aufmerksamkeit des Publicums lenken kann und es vßlürden die
Väter unserer Stadt sich um die Plastik Wiens gewiss kein geringes Ver-
dienst erwerben, wenn sie die Hand dazu böten, die Räume zu schaffen,
die für Aufnahme von monumentalen Grabdenkmälern geeignet sind. Den
lebensfrohen Wienern scheint aber der künstlerische Cultus der Todten
nicht sehr sympathisch zu sein. Denn wir begegnen in den Kirchen eben
so selten Denkmälern wie auf den Friedhöfen, und doch ist zu allen Zei-
ten der Cultus des Grabes mit der Pflege der Bildhauerkunst Hand in
Hand gegangen. So ist die allzuweit getriebene Theilung der Arbeit Hand
in Hand gegangen mit der Entgeistigung des Grabcultus, und es hat sich