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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 136)

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in Frankreich, in England, in Belgien, von ltalien selbstverständlich nicht 
zu sprechen, der Plastik in kostbarerem Materiale zu Gute kommt. 
Was von Marmorstatuen und Marmorbekleidung auf dem Stadt- 
erweiterungsterrain zur Erscheinung kam, war -- mit Ausnahme des 
Schubert-Monumentes - selten geeignet, der Kunst zu nützen, oder das 
Material zur rechten Geltung zu bringen. Das für {iguralischen Schmuck 
in Wien verwendete Material ist vorzugsweise der lstrianer Stein und 
der einheimische Sandstein. Beide Materialien sind in ihrer Art gut und 
brauchbar und werden auch vielfach verwendet, -- der lstrianer Stein 
besonders auch deswegen, weil die Brüche in gutem Zustande sind und 
der Transport durch die Eisenbahn ein günstiger ist. Der lstrianer Stein, 
den die Bildhauer sehr rühmen, hat eine gleichmässige Textur, aber er 
ist reizlos und kalt, und da er Licht und Schatten nicht scharf genug 
heraushebt, kommt auch bei ihm die Modellirung nicht zur rechten Gel- 
tung. Der Wiener sogenannte Sandstein ist nach den verschiedenen 
Brüchen verschieden; an manchen Orten sehr hart, an anderen weich, 
und für figurale Plastik von verschiedenem Werthe. Er hat nicht die 
grossen Qualitäten, wie jener Stein, welcher den Pariser Architekten und 
Bildhauern zur Verfügung steht. 
Eine reiche Entwicklung hat in unserer Zeit die Terracotta ge- 
funden, die sich für industrielle, fabriksmässige Erzeugung architektonischer 
Verzierungsglieder in eminenter Weise eignet. Sie ist auch bei den alten 
Römern schon fabriksrnässig erzeugt worden und die grossen Thonlager 
in der nächsten Nähe von Wien haben schon seit mehreren Jahrzehnten 
Industrielle angelockt, das reichliche Material zu verwerthen; die Kunst 
hat aber bisher sehr wenig Gewinn davon gezogen. So geeignet die Terra- 
cotta für rein industriellen Betrieb ist, so passt sie doch nur unter ge- 
wissen Voraussetzungen für die Plastik. Bei einer Terracottaligur muss 
der ganze Reiz der künstlerischen und technischen Behandlung entfaltet 
werden, wenn sie als Kunstwerk wirken soll. Darin liegt der Werth 
der antiken Terracotten, der Luca della Robbia's, der Büsten von Ales- 
sandro Vittoria und der modernen französischen Terracotten. Sie sind 
sämmtlich nicht blos reizvoll im Entwurfe, sondern auch geistvoll in 
der Technik. Wo das nicht der Fall ist, da verfehlt das Material seine 
Wirkung. Vom Standpunkte der Kunstindustrie können wir uns freuen 
über die reiche Entwicklung der Terracottafabrication, und es ist aller 
Grund vorhanden, dass dieses hochwichtige industrielle Gebiet in der 
nächsten Zeit in der Gefäss- und Oefenfabrication, in der Glasur mit 
Ernailfarben einen mächtigen Aufschwung nehmen wird. Aber auf dem 
Felde der figuralen Plastik wird die Terracotta selten mit grossem künst- 
lerischem Interesse gepflegt und das kunstgebildete Publicum Wiens hat 
alle Ursache sich über die übermässige Verwendung von Terracottafiguren 
zu lbeklagen. Bei keiner der Weltausstellungen haben die Terracotten 
Wiens eine andere Anerkennung finden können, als die ihnen das Material
	        
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