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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 177)

10.1 
Wenden wir uns wieder dem muhammedanischen Oriente zu. Den 
Arabern und Persern war die animalische Substanz des Kermesfärhe- 
mittels sehr wohl bekannt 1'"); die ersteren nannten es deshalb auch 
richtig düd eß-ßabbäghin, Färberwurm und, wie die Perser m), düd 
eI-ltirmiq, Kermeswurm. Sie wussten auch, dass der ausgepresste thie- 
rische Saft Cußäre) die schöne Farbe gab m). 
Interessant ist nun die Beobachtung, dass sowohl im Arabischen wie 
im Persischen die als Färbemittel in den Handel gebrachten getrockneten 
wKermeswürmer-r wegen ihres Aussehens bereits mit Beeren (habb) iden- 
tificirt erscheinen m). Also sehen wir neben der, einem irrigen Glauben 
des Alterthums entsprungenen, Bezeichnung coccum, welche in den wissen- 
schaftlichen Sprachgebrauch iibergegangen ist, plötzlich im Morgenlande 
einen gleichen Terminus, ebenfalls im mercantilen Sprachgebrauch ein- 
gebürgert, auftreten. lst darnach eine Vermuthung gestattet, so möchte ich 
wohl glauben, dass die im europäischen Mittelalter für Kerrnes gangbare 
Bezeichnung grana, Beere, bewusstermaßen jener orientalischen Handels- 
usance entlehnt und auf die einheimischen Producte angewendet wurde: 
denn dass man diese IBeerem damals auch in unserem Welttheil schon 
als tbierische Substanzen erkannte, hat W. Heydt kürzlich aus dem 
Forrnelbuch des Bischof Salomo von Constanz mit Glück nachgewiesen m). 
Dagegen linde ich nirgends, auch nicht in dem Werke des ebengenannten 
deutschen Gelehrten, auf dessen monumentale Leistung wir mit gerechtern 
Stolze blicken können, den sachlichen Unterschied gekennzeichnet, 
welcher nach den jüngeren mittelalterlichen Quellen zu schließen, dennoch 
hie und da zwischen gruna und Kermes gewaltet haben muss. 
In einem hochwichtigen, wohl um die Wende des XIV. Jahrhunderts 
verfassten Tractat über die florentinische Seidenmanufacturm) 
finde ich dafür den deutlichsten Fingerzeig. Da wird nämlich abgehandelt 
del tignere di chermiri zum Unterschied von del tignere di grana '33). 
Das Werthverhältniss zwischen beiden Farbstoffen ist nach dieser Quelle 
ein wesentlich verschiedenes: während z. B. der Preis der doppelten 
Chermisi-Färbung eines Pfundes Seidengespinnstes, also 33g'5 Gramm 
m) Ihn Haukal, l. c. p. 245. - Mukaddasi, l. c. p. 373, u. A. 
m) Harawi (X. Jhdt.), Kitäb el-äbnije 'an haltäik el-adwije, Codex Vindob. ed. 
Seligmann, 19.128. 
v") Dschawäliki, I. c. - Butrus el-Bustäni, Kutr el-muhit, Beirut, 1869, 
ll, p. 1700. - Nach dem Tädsch el-'arüs, Tom. IV, p. 69, fiel die Lese des an der 
Scharlacheiche angehefteten Kerrnesinsects in den Monat März. 
"') Tidsch el-ärüs, IV, p. 69. - Burhäni Kati', Ausgabe von Calcutta 
r8x8, s. v. Kirmir. 
'") l. c. ll, p. 609. 
"') lfarte della seta in Firenze, Trattato del secolo XV, pubblicato.... da 
Girolamu Gargiolli, Firenze, 1868, p. 30 ff. 
"') Doch kommt auch eine Färbung alla grana di galla vor: offenbar einen Farben- 
zusatz aus der Galle oder dem Gallapfel der Cynips ilicis enthaltend.
	        
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