auch die Organisation der Zünfte und Innungen noch nichts von der
starren Leblosigkeit an sich hatte, die sie im Jahrhunderte der Revolution
so verächtlich erscheinen ließ. Vielmehr muss man sagen, dass die Kunst
und das Gewerbe in der Zunft und durch die Zunft groß geworden sind.
Durch sie wurden die deutschen Städte reich und gewaltig, der deutsche
Handel mächtig, der deutsche Name angesehen und geehrt.
An diese historischen Verhältnisse zu erinnern würde wohl, meine
ich, immer ein dankbares Thema sein; heute gewinnt dasselbe das er-
höhte Interesse einer zeitgemäßen Reminiscenz.
Eine förmliche Geschichte des Zunftwesens -- auch nur in großen,
allgemeinsten Zügen -- mögen Sie nicht von mir erwarten. In die An-
fänge desselben haben wir noch keinen ganz freien Einblick, und ich
will Sie nicht in das Gewirre der gelehrten Controversen einführen, die
darüber existiren. Was feststeht, ist, dass die Handwerke in der Zeit
der Karolinger auf den Höfen der freien Grundbesitzer von unfreien Hö-
rigen besorgt wurden. Diese wurden nach I-Iofrecht behandelt, und die
Behandlung war mitunter recht schlimm. Galt doch damals noch alle
Handarbeit für verächtlich und des freien Mannes unwürdig. Erst in den
Städten ward die Stellung der Handwerker unabhängiger und selbstän-
diger. Hier standen sie zwar auch unter der Vogtei der Bischöfe, er-
hielten aber bald die Erlaubniss, für fremde Leute zu arbeiten, namentlich
für das Landvolk, welches zu den Kirchenfesten nach der Stadt strömte.
Mit der Messe wurde da zugleich ein Markt verbunden, und darum hat
sich heute noch Messe für Markt erhalten. Diese besseren Aussichten
für das Handwerk lockten Alles, was seine Arbeit verwerthen wollte, nach
der Stadt. Die Handwerksknechte entliefen ihren Herren von den Höfen
und traten mit ihren städtischen Genossen vom Metier zu Einungen oder
lnnungen zusammen. Die Innungen der Tuchweber und Tuchscherer
waren (neben den freien Kaufleuten) die ältesten; dann folgten Gerber,
Wildwerker, Schuster, Handschuhmacher, Schneider u. A., zu jüngst die
Bauhandwerke. im 13. Jahrhundert.
Auch diese Innungen standen zwar immer noch in rechtlicher Ab-
hängigkeit von dem Bischofe oder königlichen Vogt - je nachdem die Stadt
eine bischöfliche oder königliche war. Aber dieses Verhältniss änderte sich,
als der große Streit zwischen Kaisern und Päpsten im n. und 12. Jahr-
hundert ausbrach und die Städte für das weltliche Oberhaupt Partei
nahmen. Die Kaiser erwiesen sich dankbar. Die freien Altblirger lösten
sie von der Regierung des Bischofs, der meist auf päpstlicher Seite stand;
sie erhielten ihr selbständiges Gericht, selbständige Verwaltung der städti-
schen Interessen und selbständige Vertretung derselben auf dem Reichs-
tage. Die bisher unfreien Handwerker-Innungen aber wurden der Vogtei-
gewalt des Bischofs ledig und blieben nur der Regierung des Stadltraths
unterstellt. Patricier und Plebejer standen sich nun gegenüber. Jene bil-
deten den Stadtadel, tührten Siegel und Wappen, ließen sich v-Ew. Ehr-