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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 187)

In deutschen Städten des Nordens und Ostens musste man überdies auch 
deutsch sein; Slaven war der Eintritt versagt. Die Weber von Neuruppin 
forderten geradezu den Nachweis deutscher Abstammung durch mindestens 
vier Ahnen. Eine weitere Bedingung war die der Unbeschbltenheit. Der 
Lehrling, welcher aufgenommen zu werden wünschte, musste ehelich ge- 
boren sein und durfte nicht einem verrufenen Gewerbe entstammen. Denn 
auf einzelnen Handwerken lastete auch in de_n Zeiten der freien Zünfte 
der Fluch der Bescholtenheit: auf den Leinwebern, Badern, Müllern. Da- 
neben waren alle Schäfer, Abdecker und Zöllner, alle Büttel und Hüter, 
Nachtwächter und Todtengräber, Marktschreier und Gaukler, Seiltänzer 
und Schauspieler - die Letzteren ihres leichtfertigen Wandels halber - 
verachtet. Auch gewisse Handlungen erzeugten Bescholtenheit: wer Galgen 
und Rad zu einer Execution lieferte, wer an einem Gefängnisse mitbaute, 
wer das Fell eines gefallenen Thieres verarbeitete, brachte sich in üblen 
Ruf. Natürlich wurden diese Hindernisse der Aufnahme in der Zeit des 
Verfalls als höchst willkommen in's Maßlose übertrieben. Man kennt ein 
Beispiel aus dem 17. Jahrhundert, wo die Erfurter Fleischer einen Jungen 
zurückwiesen, weil seines VafersSchwager einmal ein Pferd abgezogen hatte. 
Waren solche, übrigens durchaus nicht ganz allgemeine Vorurtheile 
dem Eintritte in die Zunft hinderlich, so gingen sie doch aus der vor- 
rrefflichen Absicht hervor, das Ansehen des Handwerkes zu wahren und 
zu heben. Der Vorwurf der Exclusivität trifft aber die alten Zünfte auch 
in einem anderen Punkte nicht, dessen sich die späteren Innungen schuldig 
gemacht hatten. Als Turgot dem Könige Ludwig XV. die Aufhebung der 
Corporationen empfahl, wies er unter Anderem darauf hin, dass dieselben 
das weibliche Geschlecht ausschlössen. Die alten Zlinfte haben den Frauen 
den Zutritt zum Handwerk nicht gewehrt, und es wäre ein Irrthum zu 
meinen, erst das 19. Jahrhundert habe der Frauenarbeit im Erwerb zu 
Recht und Geltung verholfen. Nein. Nur dort, wo die physische Kraft 
nicht ausreicbte oder das Handwerk zu nsubtilu war, blieb die Frau aus- 
geschlossen. Wir finden weibliche Zünfte in Frankreich und Deutschland: 
Garnzieherinnen, Seiden- und Goldspinnerinnen, Weberinnen, Schneide- 
rinnen u. A. Es kam vor, dass sich ein männliches und ein weibliches Ge- 
werbe, die verwandt waren, zu einer Zunft vereinigten, z. B. Goldschläger 
und Goldspinnerinnen; die Einen und die Andern wählten alljährlich einen 
Meister und eine Meisterin, die sich in die Aufsicht theilten. Eine princi- 
pielle Ausschließung des weiblichen Geschlechtes vom Handwerk über- 
haupt lässt sich in der Blüthezeit der Zünfte nicht nachweisen. Eine solche 
hatte erst im 17. Jahrhundert Geltung, als die gewerblichen Corporationen 
bereits in Verfall gcriethen. 
(Schluss folgt.)
	        
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