In deutschen Städten des Nordens und Ostens musste man überdies auch
deutsch sein; Slaven war der Eintritt versagt. Die Weber von Neuruppin
forderten geradezu den Nachweis deutscher Abstammung durch mindestens
vier Ahnen. Eine weitere Bedingung war die der Unbeschbltenheit. Der
Lehrling, welcher aufgenommen zu werden wünschte, musste ehelich ge-
boren sein und durfte nicht einem verrufenen Gewerbe entstammen. Denn
auf einzelnen Handwerken lastete auch in de_n Zeiten der freien Zünfte
der Fluch der Bescholtenheit: auf den Leinwebern, Badern, Müllern. Da-
neben waren alle Schäfer, Abdecker und Zöllner, alle Büttel und Hüter,
Nachtwächter und Todtengräber, Marktschreier und Gaukler, Seiltänzer
und Schauspieler - die Letzteren ihres leichtfertigen Wandels halber -
verachtet. Auch gewisse Handlungen erzeugten Bescholtenheit: wer Galgen
und Rad zu einer Execution lieferte, wer an einem Gefängnisse mitbaute,
wer das Fell eines gefallenen Thieres verarbeitete, brachte sich in üblen
Ruf. Natürlich wurden diese Hindernisse der Aufnahme in der Zeit des
Verfalls als höchst willkommen in's Maßlose übertrieben. Man kennt ein
Beispiel aus dem 17. Jahrhundert, wo die Erfurter Fleischer einen Jungen
zurückwiesen, weil seines VafersSchwager einmal ein Pferd abgezogen hatte.
Waren solche, übrigens durchaus nicht ganz allgemeine Vorurtheile
dem Eintritte in die Zunft hinderlich, so gingen sie doch aus der vor-
rrefflichen Absicht hervor, das Ansehen des Handwerkes zu wahren und
zu heben. Der Vorwurf der Exclusivität trifft aber die alten Zünfte auch
in einem anderen Punkte nicht, dessen sich die späteren Innungen schuldig
gemacht hatten. Als Turgot dem Könige Ludwig XV. die Aufhebung der
Corporationen empfahl, wies er unter Anderem darauf hin, dass dieselben
das weibliche Geschlecht ausschlössen. Die alten Zlinfte haben den Frauen
den Zutritt zum Handwerk nicht gewehrt, und es wäre ein Irrthum zu
meinen, erst das 19. Jahrhundert habe der Frauenarbeit im Erwerb zu
Recht und Geltung verholfen. Nein. Nur dort, wo die physische Kraft
nicht ausreicbte oder das Handwerk zu nsubtilu war, blieb die Frau aus-
geschlossen. Wir finden weibliche Zünfte in Frankreich und Deutschland:
Garnzieherinnen, Seiden- und Goldspinnerinnen, Weberinnen, Schneide-
rinnen u. A. Es kam vor, dass sich ein männliches und ein weibliches Ge-
werbe, die verwandt waren, zu einer Zunft vereinigten, z. B. Goldschläger
und Goldspinnerinnen; die Einen und die Andern wählten alljährlich einen
Meister und eine Meisterin, die sich in die Aufsicht theilten. Eine princi-
pielle Ausschließung des weiblichen Geschlechtes vom Handwerk über-
haupt lässt sich in der Blüthezeit der Zünfte nicht nachweisen. Eine solche
hatte erst im 17. Jahrhundert Geltung, als die gewerblichen Corporationen
bereits in Verfall gcriethen.
(Schluss folgt.)