BEILAGE]
Nr. x95 der „Mittheilungen des k. k. Oesterr. Museums".
merksamlteit folgten. Der Vortragende ging von der Frage aus, ob es heute noch nüthig
und nützlich sei, auf die einfachen Grundlehren in der Kunst-Industrie zurückzukommen,
da doch ganz gewiss auf diesem Gebiete bedeutende Fortschritte gemacht und bessere
Richtungen eingeschlagen wurden. Diese Frage wurde bejaht und damit zugleich die
Nothwendigkeit festgestellt, immer wieder und wieder die Grundlehren der Kunst-Industrie
zu betonen, damit erwiesen werde, dass das Gute durchaus noch nicht allgemein; die
Ueberfülle des Schlechten und Verwerflichen immer noch dem Guten zur Seite stande.
Als Beispiel der noch oft ohwaltenden Gedankenlosigkeit in der Kunst-Industrie wurde
ein neuestes Ehrengeschenk eines hiesigen großen Vereines an seinen Präsidenten kritisirt.
Der Vortragende wendete sich darnach der Sache selbst zu und behandelte zuerst die
Frage: i-Wie entsteht die Grundform kunstgewerblicher Gegenstände}: Die Entstehung
wurde nachgewiesen aus der Zweckmäßigkeit und darnach der Einfluss besprochen,
welchen das Material und nach dem Material die Technik ausübt; sodann wurden dem
Willen und der Absicht des Künstlers, somit seiner Phantasie, Rechte und Grenzen an-
gewiesen. Nachdem so die allgemeinen Grundsatzc crlautert waren, wurden sie auf eine
bestimmte Reihe von Beispielen angewendet, nämlich auf die Gefäße für Flüssigkeiten,
die, einem Stammbaum: gleich, je nach ihrer Bestimmung, sich aus der Urform, dem
Fass, ableiten lassen - so die Tonne, die Töpfe und Schalen, die Kannen, die Löffel
und das ganze große Reich der Trinltgefaße. Die äußerst gründlichen und sachlich ge-
haltenen Ausführungen ernteten den lebhaftesten Beifall der Zuhörer.
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Regierungsrath v. Falke hielt am 3. November im Oesterr. Museum seinen
zweiten Vortrag über die ästhetischen Grundlehren für Kunst und lndustrie. Wie der
erste Vortrag die Entstehung und Bildung der Form zum Gegenstande hatte, so besprach
der Vortragende diesmal Dasjenige, was als Verzierung an die fertige Form herantritt,
das Ornament, und zwar in doppelter Beziehung: einmal in seiner Abhängigkeit von der
Form und zum zweitenmal in Bezug auf die Gegenstände, ausweichen das Ornament
sich bildet oder seine Motive nimmt. lm ersten Theile wurde betont, dass die Form das
Herrschende, das Ornament aber das Abhängige ist. Daraus ergeben sich verschiedene
Gesetze für das Ornament, denen es unterworfen ist. Es darf sich z. B. nicht an die
Stelle der berechtigten Form setzen, wie denn ein Zweig kein Geräth, eine Blume kein
Gefaß sein kann, ohne der Spielerei zu verfallen. Ferner muss das Ornament sich der
Gliederung des Gcrathes und der Bedeutung dieser Glieder fügen. Es ist daher nicht
willkürlich, ob an dieser Stelle ein laufendes, an jener Stelle ein auswarts oder einwarts,
ein aufwärts oder abwarts gerichtetes Ornament gewählt wird. Der Künstler kann diese
oder jene Richtung, das Hohe oder das Gedrungene der Form betonen, immer aber ist
er in der Wahl von der Bedeutung der Glieder abhängig. Er ist auch insofern abhängig,
als der Bedeutung des Geräthes oder des Gefäßes die Bedeutung des Ornamentes nach
dem Gedanken oder dem Gegenstande entsprechen muss. Diese Forderung erleidet aller-
dings vielfache Einschränkung, welche auch ausführlich zur Sprache kam. lm zweiten
Theile wurden dann die Gegenstände des Ornamentes besprochen, und zwar wurde das
Ornament in fünf verschiedene Arten zerlegt: in das geometrische oder lineare, das
pflanzliche, das figürliche (Thier- und Menschenfiguren), das gemischte, zwei oder drei
der vorausgehenden Arten verbindend, und das symbolische Ornament, welches Gegen-
stande nur um ihrer untergelegten Bedeutung willen gebraucht, wie die Symbole der
Religionen, die Embleme der Wissenschaften und Kunste u. s. w. Jede dieser Arten
wurde erortert in' ihrem Fortschritt vom Einfachen zum Reieheren und Complicirteren.
Lebhafter Beifall lußerte sich am Schlusse der äußerst gründlichen und interessanten
Ausführungen seitens des aehr zahlreichen Auditoriums.
VIII. Bd. 1881.
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