MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVII (1882 / 197)

In diesem beabsichtigten Umfange nun ist die Wollausstellung keines- 
wegs zur Ausführung gekommen und zumal was die künstlerische Seite 
betriEt, so fehlten ganze Zweige und Länder. Derjenige, der um des Roh- 
productes willen kam, mag mehr und umfassendere Gelegenheit zum 
Studium_ gehabt haben, als derjenige, welcher die künstlerischen Eigen- 
schaften der Wollgewebe erkennen wollte. Die Unvollständigkeit in letz- 
terer Beziehung war eclatant genug. 
Dennoch würde man irren, wollte man dieser Ausstellung in künst- 
lerischer Beziehung jede Bedeutung absprechen. Hatte sie nicht alles ge- 
bracht, so doch vieles und sehr Schönes und Lehrreiches. Lange Wände 
des Riesenpalastes waren von den größten und schönsten Teppichen be- 
deckt und manche kleinere Gegenstände, Decken, Möbelstoffe und Stickereien, 
füllten eine Anzahl Vitrinen. Einer der ersten Decorateure und Möbel- 
fabrikanten Londons hatte sogar ein halbes Dutzend der kostbarsten, auf's 
Vollständigste eingerichteten Gemächer zur Ausstellung gebracht, weiche 
über den in England herrschenden Geschmack vornehmster Art den er- 
wünschten Aufschluss gaben. 
Eine nur oberflächliche und übersichtliche Musterung der zahlreichen 
Teppiche ergab das bestimmte Resultat, dass die alte, bunte, naturalistische 
Weise der Decoration fast so gut wie verschwunden ist, aus jener Welt 
wenigstens, welche auf Bildung und Geschmack Anspruch erhebt, dass 
die Weise, welche die Gegenwart befolgt, entweder die orientalische ist 
oder, wo sie europäisch erscheint, stilisirenden Gesetzen folgt. Nur ein 
einziger Teppichfabrikant, Widnell 81 Co. in Lasswade bei Edinburg, 
trug in seiner nicht geringen Collection die alte Weise fast ausnahmslos 
zur Schau und er erschien damit wie völlig aus einer andern Welt ge- 
kommen. Und doch sind nicht zwanzig Jahre verflossen, seitdem seine 
Weise die einzig herrschende war und Niemand oder kaum Jemand an 
anderes dachte, geschweige denn fabricirte. Die ganze grelle, bunte, rohe 
Farbenpracht leuchtete aus diesen Fußteppichen uns entgegen; die wilde 
Blumistik mit den übertrieben großen Blumen, die wilden Thiere, tro- 
pische Landschaften, Genrebilder mit Griechen und Türken, romantische 
Liebesscenen - das alles stand noch vor den erstaunten Augen, als ob 
die Welt still gestanden wäre. 
Aber um so deutlicher zeigten die übrigen Teppichfabrikanten, dass 
die Welt nicht still gestanden. Wie gesagt, gaben sich zwei Richtungen 
in der Decoration zu erkennen, eine orientalische und eine stilvoll moderne; 
der letzteren Art folgten in eigenthümlicher Weise fast sämmtliche eng- 
lischen Teppiche. Die Richtung, welche diese in den letzten Jahren ein- 
geschlagen haben, lag daher in klar erkennbarer Weise vor. 
Der Orient war vertreten mit den ächtesten Originalen, mit den 
europäischen Imitationen und mit solchen orientalischen Fabrikaten, welche 
sich europäischem Geschmacke nicht mehr ganz haben entziehen können.
	        
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