Die gegenwärtigen Aufgaben der Verwaltung des artistischen Bildungswesens. XIII
auf der Kunstgewerheausstellung in München mit einer Vielseitigkeit, kenschem
Geschmack und meisterhaften Technik in die Schranken tritt, die den zum Staunen
bringen muss, der Österreichs Leistungen auf diesen Gebieten seit der Pariser
Ausstellung 1867 nicht mehr controliren konnte. Überall drücken die Schulen
nachweisbarnach; in allen Branchen geht die Kunstgewerheschule in Wien bahn-
brechend u.ud den Reigen erüffuend voran oder treten Industrielle auf, die sich
von jener Schule respeotive deren tüchtigen Leitern den Weg weisen lassen. Theils
werden die vorhandenen artistisch-technischen Verfahren vervollkominnet, theils
neue, respective alte, aber verloren gegangene, wieder aufgenommen, iund überall
spielt ein gelauterter Geschmack, die fröhliche Renaissance kömmt zu neuem
Leben, sich geschmeidig und ungezwungen unseren Verhältnissen und Wünschen
und sogar Gewohnheiten anhequemend. Wir constatiren daher die ejgenthümliche
Erscheinung, dass Österreich, seit 1866 der politischen Führerschaft in Deutschland
beraubt, inzwischen unbestritten die Führerschaft in der deutschen Kunstindustrie
errungen hat und auf der diessjahrigen Ausstellung behauptet. Damit sei aber der
bedeutende Einfluss der einschlagenden Bildungsanstalten einzelner Staaten auf
ihren kunstindustriellen Aufschwung keineswegs geleugnet. Wir nennen vorab
Baiern, Württemberg, Preussen." -
Indem die Unterrichtsverwaltimg diese beachtenswerthe Stimme aus dem indu-
striereichen St. Gallen zu öffentlichem Gehör bringt, meint sie auch jene Schluss-
satze anführen zu sollen, welche des bedeutenden, auch in Deutschland ueuestens
von den Bildungsanstalten auf den industriellen Aufschwung geübten Einflusses
gedenken. Diese Satze fasst sie gleich einer Mahnung auf zu erneuten, unge-
saumten Anstrengungen, um Österreich dem rivslisirenden Auslande gegenüber
seinen heutigen Vorsprung auch für die Zukunft zu sichern.
Diese wird bei dem eifrigen Nachstreben der deutschen Staaten nur dann
gelingen, wenn sich die Aufmerksamkeit der österreichischen Unterrichtsverwaltung
auch ferner nicht auf einzelne Gebiete der Kunst- und Bilduugspllege beschränkt,
sondern die Forderungen der Kunst, die Aufgaben der Schule und die Bedürfnisse
der Industrie - somit die Gesammtheit von Culturinteressen umfasst, die unter-
einander in so maunigfacher belebeuder Wechselwirkung stehen.
Es erwächst daher dem Unterrichtsministerium die Pflicht, auf die Hebung
deszeichennnterrichtes im gesammten österreichischen Erziehungswesen, auf die
Förderung der kunstwissenschattlichen Thatigkeit an den Hochschulen, auf die
Organisation der gewerblichen Schulen aller Stufen, auf die Pßege der Museen
und auf die Entwicklung der Kunstanstalten und Kunstschulen gleichnzässig den
Blick zu richten. Denn nur indem solche Einheit im Auge behalten und der
Kunst im Gewerbe ihr natürlicher Zusammenhang mit der grossen, allgemeinen
Kuustentwicklung gewahrt wird, kann der Kunstindustrie innerhalb des geschicht-
lichen Verlaufes die sich stets erueuende Lebenskraft gesichert bleiben.
Nachdem die Unterrichtsverwaltnng bereits seit einigen Jahren in solchem
Sinne gewirkt hat, vennag sie heute auf beweiskrsftige Ergebnisse dieser Thätig-
keit, auf ein reiches, lebensvolles Cnlturbild hinzuweisen, das Österreich _in
München darbot. Dank der Vereinigung ausgezeichneter Kräfte an seinen Bildungs-