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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVII (1882 / 201)

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keit, mit der diese reizenden Verzierungen hergestellt werden, ist eine 
erstaunliche. Ich ließ einen jungen Hirten kommen und fragte ihn wie 
viel Arbeitszeit er wohl aufwende, um einen solchen reizenden Stock her- 
zustellen? Er antwortete mir naiv: 
wI-Ierr, wenn die Schweine ruhig sind, zwei Tagen- 
Freilich ist auch diese schöne Fertigkeit im Abnehmen und es gibt 
schon viele Dörfer, wo man keine kunstfertigen Hirten mehr findet. 
Ich habe es als meine Aufgabe bezeichnet, Ihre Aufmerksamkeit auf 
die Bedeutung der slavischen I-Iausindustrie zu lenken. Wenn rnir dies 
gelungen, so werden Sie mir es, hoffe ich, erlauben, über den Ursprung 
und die Eigenartigkeit derselben in Kurzem Einiges zu erwähnen. 
Als die slavische Hausindustrie, so zu sagen entdeckt wurde, war 
man geneigt, sie als durchaus originell und ausschließliches Eigenthurn 
der slavischen Stämme aufzufassen. Als man verwandte Motive in der 
skandinavischen, rumänischen, siebenbürgisch-deutschen Ornamentik in 
großer Menge auffand, war man anderseits versucht, die Eigenartigkeit 
der slavischen Ornamentik und Hausindustrie zu unterschätzen. Die Frage 
nach der Ursprünglichkeit und den Quellen der slavischcn Ornamentik 
und Hausindustrie ist noch keinesfalls spruchreif und muss eine große 
Menge wissenschaftlichen Materials aufgespeichert und verarbeitet werden, 
ehe auf dem Wege vergleichender Studien hierüber ein definitives Urtheil 
gefällt werden kann. Dass die Slaven ebensogut, wie die übrigen indo- 
europäischen Völker aus der gemeinsamen Urheimat, nicht nur eine aus- 
gebildete Sprache, sondern auch eine, bis zu einem gewissen Grad, aus- 
gebildete Ornamentik und Hausindustrie mitbrachten, steht außer Zweifel 
und dürfte gerade in dieser uralten Erbschaft das Gemeinsame der Motive 
aller alten Volksindustrien liegen. Es ist aber ebenso zweifellos, dass die 
Ornamentik der Slaven so gut eigenartig ist, als die Sprache derselben, 
trotz ihrer Verwandtschaft mit den übrigen indoeuropäischen Sprachen. 
Freilich ist keines der großen Weltereignisse, welches das Schicksal der 
slavischen Stämme berührte, an dem künstlerischen Fond derselben spurlos 
vorübergegangen, hauptsächlich ist es aber außer Zweifel, dass die zu 
wenig gekannte byzantinische Kleinkunst auf die slidslavische und russische 
Hausindustrie einen bestimmenden Einfluss ausübte. Das orientalische 
Kunstgewerbe hat nachweisbar und in größtem Umfang auf die ganze 
europäische Textilindustrie, also auch auf die slavische, mächtig eingewirkt. 
Es wird gewiss gelingen, mit der Zeit alle diese Culturschichten klar zu 
bestimmen. 
Es ist aber die höchste Zeit, dieser Sache unsere Aufmerksamkeit 
zuzuwenden, denn nicht nur in Croatien und Slavonien, auch in Russland 
ist die Hausindustrie im Zerfallen, in Schweden müssen sich auch Vereine 
um ihre Erhaltung kümmern; im Orient dringt die abendländische Industrie 
vor. Ueherall war die Hausindustrie der Großindustrie vorangegangen,
	        
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