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vorne, zu wenig gegen den Rumpf gewendet sei. Bei dem fast drehrunden Querschnitte
des Stumpfes ist es indessen schwer, hierüber ein bestimmtes Urtheil abzugeben, ohne
dass man lebende Modelle in die von Hasse angenommeneISteIIung gebracht und ver-
gleichend untersucht hatte. Es ist ferner wünschenswerth, dass die Statue von verschie-
denen Standpunkten aus gelothet und auf die Unterstützung ihres Schwerpunktes unter-
sucht wurde. Es konnte dadurch eine neue Basis gewonnen werden, um zu entscheiden,
ob auf der linken Seite ein schwererer Gegenstand, etwa ein Schild, gehalten wurde
oder nicht.
Der Verfasser sagt am Schlusse, er wolle die Analogen nicht aufzählen für die
von ihm hergestellte Figur. Hatte er dies gethan, so würde er sicher auch auf die
Venus caelestis hingewiesen haben. Die Abbildung. welche J. Dom. Campiglia von
derselben im dritten Bande von Gorii Museum Florentinum auf Tafel XXX gibt, lässt
die Aehnlichkeit deutlich in die Augen springen, wenn auch beide Fusse der Venus
Cäüißälfg auf der ebenen Fussplatte stehen, das Gewand anders gelegt ist und die erhobene
Hand das Haar der Scheitelgegend direct berührt. Vermoge der hierdurch veränderten
Armstellung und vermoge der gleich hoch gestützten Füsse, weicht auch die Korper-
stellung etwas von der Venus von Milo ab. E. Br.
Ornamentale Malereien vom k. Schloss Trausnitz bei Landshut in Bayern.
Aufgenommen und herausgegeben von Rudolph Gehring. Landshut
o. J., Jos. Thomankche Buchhandlung (J. B. v. Zabuesnig). 4.9 litho
graphirte Blätter in Folio mit Vorwort und Register.
Die ehrwürdige Trausnitz, die Perle Niederbayerns, steigt mächtig auf in unserer
Erinnerung. Wir sehen sie im Geiste vor uns, jene reiche, prächtige Fülle farbensprühender
Gebilde von den kunstreichen Handen deutscher Meister geschalfen. Die vorliegende
Monographie bringt die gesammte lnnendecoration der Schlossgemächer mit Ausschluss
der rein iigürlichen Darstellungen, wie der nNarrenstiege- etc. Vollständig wiedergegeben
jedoch sind die schonen Friese mit Scenen aus der italienischen Comodie. welche Herzog
Wilhelm V. gelegenheitlich seiner Vermählung zur Aufführung bringen liass.
Gehring bedauert in seiner Vorrede selbst, dass er bei dem ihm zu Gebote
stehenden Vervielfaltigungsmittel auf eine farbige Wiedergabe Verzicht leisten musste.
Sollte aber der Nutzen der vorliegenden Tafeln auch nur darin bestehen, Denjenigen als
Pfadweiser zu dienen, welche bis jetzt die schone Trausnitz nicht persönlich aufsuchten'
so mag sich der Herausgeber für seine mit rühmenswerthem Fleisse durchgeführte Arbeit
wohl belohnt fühlen. M.
Koula, J. Denkmäler des Kunstgewerbes in Böhmen. Prag, im Selbst-
verlage 1883. Fol. a Lieg. 2 fl.
Der reiche Besitz der böhmischen Cavaliere an Kunstobjecten ist gerüchtweise
bekannt genug, aber auf Ausstellungen figurirten letztere nur selten und in Publicationen
wurden sie bisher sozusagen gar nicht berücksichtigt. Darum freut es uns in hohem Masse,
dass nun endlich der Bann gebrochen ist. Diei Cernin, Nostiz, Schwarzenberg u. A. haben
ihre Sammlpngen dem Herrn J. Koula, Honor.-Docenten'der k. k. böhmischen technischen
Hochschule in Prag, geölfnet und derselbe hat es unternommen, uns auf etwa tzo Tafeln
die wichtigsten Denkmäler des Kunstgewerbes in Böhmen zu reproducieren. Die Wieder-
gabe geschieht, in Autographien des Herrn Kovatoviä nach Koula's treiflichen,
nur manchmal schon etwas manierirt flotten Zeichnungen. Die vorliegende erste Liefe-
rung enthält auf I2 Tafeln herrliche Gefäße in Metall und Krystall, ein Brunnen-
gitter aus dem Schlosse Neuhaus, in der Art des bekannten Salzburger Gitters,
Fussbodenßiesse und gothisirende Holzdecoration aus dem Schlosse Frauenberg, ein
Antipendium in Leder mit reichem, mattgepunztem Goldornament auf blauem Grunde,
und schließlich die Ansicht des ersten Renaissance-Baues in Böhmen, namentlich des
Wladislav'schen Theiles der kgl. Bur in Prag. Derselbe wurde in der Zeit von 14,84
bis 1501 durch Beneä von Laun angeführt, welcher trelTliche Baumeister nach den
neuesten Forschungen nun bekanntlich als aus Piesting in Niederösterreich stammend,
nachgewiesen ist. Nebst den Gesammtansichten sind auch Details in großer Zahl wieder-
gegeben und wo sich Marken vorfanden, auch diese reproducirt, um die Zuweisung der
Kunstwerke an vielleicht schon bekannte Meister zu ermöglichen. Auch die Auswahl
der Objecte scheint von geschultem Blick geleitet. Kurz, wir erhoffen und wünschten
dem immerhin Muth erfordernden Werke, welches Koula unter den obwaltenden
Zeitverhaltnissen im Selbstverlage erscheinen lassen musste, den wohlverdienten Erfolg.
Nur einen Wunsch wollen wir noch andeuten: Eine Vergewaltigung der deutschen
Sprache, wie sie in der neben dem böhmischen Originaltext gedruckten Uebersetzung
statthat, durfte in Prager Professorenkreisen doch noch nicht unvermeidlich sein. Ch.
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