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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 215)

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Als junger, aber bereits der Meisterschaft naher Künstler kamst Du nach 
Wien zu einer Zeit, als unsere liauzustande in der erdenklich tiefsten Ernie- 
driguing sich befanden. Die Baukunst jener Zeit war der getreueste Ausdruck 
des den Staat wie das Volksleben beherrschenden BureaukratismusQDaS 
Jahr t848 erlostc auch die Baukunst von dem Banne, der bis dahin auf ihr 
gelastet hatte. ln dieser Zeit der allgemeinen Bewegung trafen tvir junge Aka- 
demiker mit Euch jungen Architekten zusammen, und begierig lauschten wir 
Euren Lehren und Anschauungen. Künstler, jung und alt, Meister und Schüler 
verbanden sich, um als Sturmbock das morsche alte System niederzutverfen, 
und wie damals Alles, so gelang auch das Unglaubliche. 
Das Concurrenzwesen wurde als einzige Errettung von den bau- 
bureaukratischen Verhältnissen bezeichnet und nachdrücklich verlangt, und in 
der That brachte auch das Jahr t84S die erste Concurrenz, bei der Du, sowie 
der Schweizer Müller, mit neuen glunzendeten Arbeiten hervortratest. lhr gsltet 
uns in der That als Vorbilder und Lehrer. Diese Erinnerung an 1848 möge 
eine schone Frühlingshlüthe in dem Kranze bilden, der heute Dein jugendliches 
Greisenhaupt schmückt. 
Seit jener Zeit stehen wir in ununtcrbrochenem persönlichen und freund- 
schaftlichen Verkehr und ich kann wohl sagen, dass im Laufe von 3'], Decennien 
die aufrichtige Hochachtung, die mir Dein, ausschließlich der Kunst und den 
Idealen zugewendeter Sinn riufzwang, sich fortwährend gesteigert hat, nachdem 
ich auch die Lnutcrkeit Deiner Gesinnung und Deine Sclbstlosigkeit näher kennen 
gelernt hatte. Noch als Schüler der Akademie 185i trat ich bei einer Kirchen- 
concurrenz zum ersten Male in künstlerischen Wettstreit mit Dir. Viele Jaltre 
später erst, nachdem ich meine Lehrjahre beendigt hielt, standen wir uns viel- 
fach in Concurrenzen gegenüber, welche zur Klärung der damals unglücklich 
schwankenden Ansichten recht schr beigetragen hatten. Die geringe ßauthätigkeit 
in Wien und die Unklarheit der Ziele, die auch an Orten einer reicheren Bou- 
titatigkeit vorwogen, waren einem architektonischen Aufschwung vorerst noch 
nicht günstig. Bis an das Ende der Fünfziger Jahre war allenthalben die moderne 
romantische Richtung, der die Zukunft gehören sollte, vorwiegend; und selbst 
ein Hausen, der durch Studium und Vorleben am meisten von griechischem 
Einfluss durchdrungen vrar, konnte dieser Zeitstrotnung nicht erfolgreichen 
Widerstand leisten. 
Es waren zwar jene reizenden orientalischen und mittelalterlichen, aber 
durchaus nicht antiken Formen, welche Deine zahlreichen Werke jener Zeit, 
voran Deinem berühmten Walfenmuscum, ihren Charakter autpragen. Aus der 
so fein empfundenen originellen Art der Detailbildung hatte übrigens der weit- 
sehende Kunstgclehrte Dir damals schon auf Jahr und Tag ausrechnen können, 
bis wann Du vollständig in das antike Lager übergehen musstest. 
Während alle Bauten jener Zeit durch die feine Charakteristik. sowie 
durch die allgemeine Schönheit dauernde Bedeutung bewahren werden, fallt 
Dein bahnbrcchender Einfluss doch erst in die Sechziger Jahre. 
Das wnr die Zeit der außerordentlichen baulichen Entwick- 
lung Wiens, wo mit Einem Male Alles, was zum Bauen gehört, in richtigem 
Maße vorhanden war: Platz und auch Geld. NVie stand es aber mit den 
Baukünstlern? Man brauchte nur das Vorherentstandene und auch manche 
früheren Stadterweiterungs-Bauten zu betrachten, um zu begreifen, wie die 
Bauthatigkeit nun in dem Momente größter Rathlosigkeit ausgeartet ware, wenn 
nicht durch einige wenige Künstler jene Richtung vorgezeichnet werden tvare, 
die heute ganz allgemein mit dem Namen w-Wiener Stylt- bezeichnet wird 
und welcher unserer Profan-, speciell Wohnhaus-Architektur eine ganz neue 
Grundlage gegeben hat, . 
Und hier muss nun gleich ausgesprochen werden, dass allen Anderen 
voran Dein Beispiel maßgebend blieb. ln einer Reihe gerade zu rechter Zeit 
geschaßcner Werke, unter denen nur die protestantische Schule, die Faqade 
des Palais Sinn, der Heinrichshof und das Palais Erzherzog Wilhelm genannt 
werden möchten, hast Du in so überzeugender Weise die alleinige Berechtigung 
der classischen Architektur auf dem Gebiete unseres Profanbaues nachgewiesen, 
dass diese Richtung fortan die maßgebende blieb.
	        
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