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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 217)

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Theodor Graf 's Entdeckung antiker Gewandstoffe '). 
Von Georg Ebers. 
Vor I4. Jahren fand ich in Aegypten einen alten Schulfreund wieder. Er hieß 
Theodor Graf und war Vorsteher der Kairener Commandite eines großen Alcxandrinischen 
Handlungshauses. Schon damals sammelte der genannte l-icrr agyptischeyAlterthümer und 
mit besonderer Liebe griechische Münzen. Es war mir vergönnt, ihm dabei hie und da 
einen Wink zu ertheilen, und ich blieb mit ihm in Verbindung, auch nachdem er sich 
in Wien selbständig etablirt und das großartige Teppichgeschäft ins Leben gerufen hatte, 
dem er heute vorsteht. 
Durch einen langen Aufenthalt in Aegypten mit den dortigen Verhältnissen genau 
vertraut, der arabischen Sprache völlig mächtig und ganz der Mann, mit den Morgen- 
landern in freundlicher und doch Achtung gebietender Weise zu verkehren, hat er alte 
orientalische Teppiche zu erwerben und in Europa einzuführen Verstanden, wie man sie 
bis dahin in unserem Erdtheile noch niemals gesehen. Herr Professor Karabacek in Wien 
hat dem Vorzüglichsten unter diesen in ihrer Weise einzigen Stücken eine besondere Arbeit 
gewidmet, und es bei näherem Zusammensein besser als der Verfasser dieser Zeilen ver- 
mocht, den wissenschaftlichen Sinn des großen Kaufherrr. lebendig zu erhalten und auf 
bestimmte Ziele zu richten. So verband l-lerr Graf denn mit jeder Geschäftsreise in den 
Orient wissenschaftliche Zwecke, und Gluck, feiner Spürsinn, begeistertes und beharr- 
lichcs Ringen nach dem vorgesteckten Ziele haben seine großen und zum Theile nicht 
ungefährlichen Bemühungen mit schönen und überraschenden Resultaten gekrönt. 
Die reichen Papyrusschatze, welche er aus dem Faijum mit nach Hause gebracht 
hat, sollen hier nur beilaufig erwähnt werden. Durch den trefflicben deutschen Consul 
Travers und den tüchtigen ersten Directorialassistenten des Berliner Museums. Dr. L. Stern, 
sind eine Menge von ähnlichen Fragmenten nach Berlin gebracht worden. Sie reichen 
zum Theil bis in die beste Kaiserzeit (Domitian und Hadrian) zurück, und es haben sich 
aus ihnen schon jetzt wichtige geschichtliche Daten ermitteln lassen und merkwürdige 
Beitrage zur Kenntniss des Culturzustandes Aegyptens unter den Römern und Byzan- 
tinern ergeben. Auch nach Paris sind einige von diesen ganz unerwartet zu Tage getretenen 
Quellen gekommen. Ob dem Berliner Museum oder Herrn Graf der Löwenantheil der- 
selben zugefallen ist, mag unentschieden bleiben; jedenfalls hat er hier Ruhm und Glück 
mit einem Zweiten und Dritten zu theilen. Auf einem anderen Gebiete steht dagegen 
das, was er erworben hat, einzig da, und wenn seiner Entdeckung bald andere ähnliche 
folgen, wird ihm doch das Verdienst, hier die Wege gezeigt und das Thor geöffnet zu 
haben, von Niemandem bestritten werden. 
Als vor einigen Jahren die Kunde zu uns kam, es seien bei Kertsch Leichen in 
römischen Gewändern gefunden worden, erregte diese Nachricht gerechtes Aufsehen. 
Diese Gewandstncke sind nach St. Petersburg gekommen und werden dort conservirt. 
Was wir von ihnen Wissen, ist überraschend, aber weit staunenswerther müssen die ahn- 
lichen Funde genannt werden, welche die Grabungen unseres Freundes zu Tage gefordert 
haben. Dieselben sind besonders verdienstlich und berechtigen auch zu schonen Hoff- 
nungen auf zukünftige ähnliche Erwerbungen, weil sie nicht zufallig, sondern in Folge 
emsigen und zielbewussten Suchens gemacht worden sind. 
Professor Karabacek hatte in einer glücklichen Stunde dieiFrage gestellt, wo denn 
die nach der Pharaonenzeit dahingegangenen Generationen der Griechen und Römer im 
Nilthal bestattet worden seien? Dass sie nach der Zeit des Antonius nicht mehr ver- 
brannt und später auch nicht mehr mumisirt worden sind, stand fest. Man durfte mit 
Grund erwarten, sie in den Kleidern, welche sie bei Lebzeiten getragen, in dem trockenen 
Boden Aegyptens wieder zu Enden. Professor Karabacek machte den klugen und opfer- 
willigen Kaufherrn zum Vertrauten dieser Erwägungen und stellte ihm die Aufgabe, nach 
den Friedhöfen zu suchen, in denen die Zeitgenossen der späteren römischen und der 
byzantinischen Kaiser im Grabe ruhen. Herr Graf unterzog sich derselben mit der ihm 
eigenen Thatkraft, und ließ sich durch den Misserfolg, welcher seine ersten Versuche 
begleitete, keineswegs abschrecken. Ja, er dehnte seine Forschungen bis nach Syrien aus, 
und nachdem sich auch hier das was er suchte nicht finden wollte, ging er wiederum 
an den Nil, und dort gelang es ihm kurz vor Thorschluss, das heißt wenige Wochen vor 
dem Ausbruch der revolutionären Bewegung, welche die Schicksale Aegyptens in die 
Hand der Engländer spielte, ein Todtenfeld mit römischen und griechischen Leichen zu 
(Ei 
') Die hervorragende Stellung, welche Prof. Dr. Georg Ebers einnimmt, veran- 
lasst uns, sein Votum über die von Theodor Graf entdeckten antiken Gawandstoffe aus 
der "Münchener Allgem. Zeitung-i vom 23. August 1883 unsern Lesern vollständig mit- 
zutheilen.
	        
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