Papyrus Erzherzog Rainer.
, II.
Die Sichtung und Ordnung des zehnsprachigen Urkundenschatzes
im k. k. Oesterr. Museum, über welche wir vor einiger Zeit berichteten,
hat wieder neue und wichtige Ergebnisse zu Tage gefördert. Wir theilen
dieselben in den nachfolgenden Zeilen kurz mit. Ein vierfaches Sprach-
und Schriftgebiet repräsentiren die hieroglyphischen, hieratischen,
demotisch en und k optischen Papyrus, deren Bearbeitung Dr. J. Krall
übernommen. Etwa 20 Stücke gehören der vorchristlichen Zeit an, dar-
unter ein bald 3000 Jahre alter hieratischer Brief, ein funeräres Tableau
mit der wohlerhaltenen Darstellung des verstorbenen Amasis und hiero-
glyphischen Legenden, und ein demotischer Papyrus mathematischen Inhalts.
Weit zahlreicher sind die koptischen Stücke _ an 1000 - größtentheils
Briefe und Rechtsurkunden aus der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends
unserer Zeitrechnung. Alle koptischen Dialekte - der mittelägyptische,
sahidische und boheirische - sind in der Sammlung vertreten. Wissen-
schaftlich sind von großer Wichtigkeit mehrere Stücke auf Papyrus der
bisher nur in spärlichen Fragmenten vorhandenen Bibelübersetzung in
mittelägyptischer Mundart, dann ein Pergamentblatt aus einer alten Octav-
ausgabe des Buches Ruth in sahidischer Mundart, endlich eine Reihe
wohlerhaltener Contracte, welche ein formales und sprachliches Analogon
in den demotischen Urkunden der Ptolemäerzeit finden und werthvolle
Beiträge liefern zu der die Fachmänner lebhaft beschäftigenden Frage nach
der Einwirkung des römischen Rechtes auf das ägyptische.
Bei der weiteren Durchforschung der griechischen Papyrus durch
Dr. K. Wessely wurden neuerdings bedeutende Funde von litera-
' rischen Schriftstücken gemacht. Ein besonderes Interesse erregen die
eine noch unbekannte polemische Rede gegen Isokrates (4. Jahrhundert
v. Chr.) enthaltenden Reste einer Papyrusrolle; es ist dies ein Denkmal
schönster alexandrinischer Kalligraphie auf Papyrus. Von der im ersten
Berichte erwähnten Handschrift des Thukydides fand sich ein neues
Stück aus dem VIII. Buche, gleichfalls mit Scholien und bemerkens-
werthen Lesarten. Auch von einer Homer-Handschrift (XI. Buch der
Ilias) und einer Paraphrase desselben Dichters (zum IV. Buche der Ilias)
fanden sich Ueberreste, wenn auch von einem geringeren Umfange. Als
eine ganz neue Entdeckung können die Bruchstücke einer ästhetischen
Abhandlung auf einem aus dem z. Jahrhundert n. Chr. stammenden
Papyrus angesehen werden, ebenso eine ganz im Style des Aristoteles
gehaltene philosophische Dissertation. Noch wären zu erwähnen die Frag-
mente von Trimetern eines Dramatikers, von patristischen Werken (wie
Kyrillos), dann eine Metanoia, diese sogar aus dem Anfange des
Fortsequvig auf der Beilage.