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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVI (1981 / Heft 178 und 179)

Lorenz Seelig 
Wiener Biedermeier 
in Coburg 
Das Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld - von 
1826 bis zur Auflösung 1918120 Sachsen-Coburg 
und Gotha benannt - zählte zu den kleineren und 
somit politisch-mili sch nahezu machtlosen 
Herrschaften unter den Staaten Sachsen-Thürin- 
gens. Dennoch konnte sich das Haus Coburg im 
19. Jahrhundert einen bedeutenden Namen erwer- 
 
1 
ben. S0 erwiesen sich die Herzöge auf künstleri- 
schem Gebiet seit Franz Anton (1750-1806) als 
kenntnisreiche Sammler, die den - heute noch in 
Coburg befindlichen - Kunstbesitz entscheidend 
vermehrten. Weit folgenreicher war das geschick- 
te Taktieren auf dem Felde der dynastischen Poli- 
tik: innerhalb weniger Jahrzehnte nahmen Cobur- 
ger Prinzen oder deren Gemahlinnen die Throne 
Englands, Belgiens und Portugals, bald auch Bul- 
gariens ein; enge Verwandtschaftsbeziehungen 
bestanden zu zahlreichen weiteren Höfenl. Es wa- 
ren die Geschwister und Söhne Herzog Ernsts I. 
(1784 -1844) bzw. deren Nachkommen, die solche 
Positionen erlangten; unter Ernsts Regierung be- 
gann das Haus Coburg seinen Aufstieg zu europä- 
ischem Rang und Ansehen. Nach acht unruhigen 
Herrschaftsiahren, die durch die Napoleonischen 
Kriege bestimmt waren, bot der Wiener Kongreß 
dem Herzog eine bedeutende Gelegenheit zur Ent- 
faltung politischer Aktivitateni. Da sich Ernst I. 
von den Verhandlungen eine wesentliche Vergrö- 
ßerung des Coburger Territoriums erhoffte, weilte 
er mit seinen iüngeren Brüdern Ferdinand und 
Leopold sowie einer recht umfangreichen Delega- 
tlon etwa ein dreiviertel Jahr in WienJ. Hier knüpf- 
te er u.a. Beziehungen zu Kiemens Wenzel Fürst 
Metternich anf, dessen der Stärkung der monar- 
chischen Ordnung geltende Anschauungen er ent- 
schieden teilte. Während der sich in den folgen- 
den Jahren anschließenden Konferenzen intensi- 
vierten sich die Kontakte: 1820 und 1822 besuchte 
Metternich den Herzog in Coburg, um sich dort vor 
allem auf der Rosenaur aufzuhalten; als Dankes- 
geschenke übersandte Metternich 1820 u.a. wohl 
eine Porzellantasse mit der Ansicht des Schlöß- 
chensß, 1822 einen in gotischen Formen gehalte- 
nen Florentiner Marmortischr (Abb. 4). In Wien er- 
warb Ernst i. gleich anderen Kongreßteilnehmern 
zahlreiche Luxusartikel und nahm zudem Verbin- 
dungen zu Künstlern und Kunsthandwerkern auf, 
die fortan für den Coburger Hof arbeiteten. Noch 
während seines Wiener Aufenthalts ließ sich der 
Herzog z. B. von Johann Baptist Lampi d.J. 
porträtieren! Keinen Erfolg hatten dagegen seine 
Bemühungen, den vorübergehend in Wien be- 
schäftigten Architekten Karl Ferdinand Langhans 
d.J. für Coburg zu gewinnen". Die Funktion eines 
künstlerischen Beraters übernahm in Wien der für 
Metternich und den Kongreßsekretär Heinrich 
Gentz tätige Architekt Karl von Moreaul", der spä- 
ter u.a. Pläne nach Coburg schickte und erst nach 
geraumer Zeit als Remuneration eine goldene Do- 
se empfing". Die Aufgabe der direkten Informa- 
tion des Herzogs - nach dessen Rückkehr nach 
Coburg - und der raschen Erledigung seiner Be- 
stellungen kam dem freilich in künstlerischen Fra- 
gen wenig versierten Wiener Geschäftsträger Vin- 
zenz Ritter von Blumenberg" zu. Der Geheime Le- 
gationsrat unterrichtete den Herzog über modi- 
sche Neuerungen, aber auch über manche Okka- 
sion und schrieb ihm oder dem Chef des Herzog- 
lichen Privatbureaus, Johann Maximilian von 
Szymborski", gleichermaßen von Wagen und Uni- 
 
formen", Stichwerken und Schmuckstücken"; 
nicht zuletzt auch teilte er manches über die Pro- 
dukte der heimischen Glas- und Spiegelindustrie 
mitlß. So vermittelt der umfangreiche Briefwech- 
sel, der sich im Coburger Staatsarchiv lückenlos 
erhalten hat", ein lebendiges Bild der geschmack- 
lichen Tendenzen, die sich aus der Sicht eines 
deutschen Duodezfürsten und seiner unmittelba- 
ren Umgebung in dem auf den Wiener Kongreß fol- 
genden Jahrzehnt in der österreichischen Haupt- 
stadt abzeichneten. 
1816 wurden Ernsts Beziehungen zu Wien intensi- 
viert und zugleich vereinfacht: zu Jahresbeginn 
heiratete Prinz Ferdinand, der jüngere Bruder 
Ernsts l., Maria Antonia Gabriele von Kohary, die 
einzige Tochter des Hofvizekanzlers und Oberst- 
mundschenken für das Königreich Ungarn, Franz 
Joseph von Kohary, der erst zwei Monate zuvor in 
den Fürstenstand erhoben worden war". Da Prinz 
Ferdinand fortan als k.k. Generalmajor ständig in 
Wien lebte und aufgrund der Verbindung mit der 
wohlhabenden Kohary-Erbin sich in äußerst gün- 
stigen Vermögensverhältnissen befand, konnte 
er, der die geschmacklichen Neigungen seines 
Bruders genauer kannte, die von Ernst I. oder dem 
Wiener Geschäftsträger ins Auge gefaßten Erwer- 
bungen selbst prüfen und die Anfertigung kunst- 
handwerklicher Arbeiten ständig überwachen". 
Gelegentlich auch ließ er Ankäufe von seinem 
häufig genannten Kammerdiener tätigen". Zudem 
legte Prinz Ferdinand in Wien die entsprechenden 
Beträge aus, die ihm anschließend von Ernst i. zu- 
rückerstattet wurden". Überdies war Ernsts ältere 
Schwester Sophie in Wien mit dem k. k. Kämmerer 
und Generalmajor Emanuel Graf von Mensdorff- 
Pouilly verheiratet", der freilich in der Korrespon- 
denz keine Erwähnung findet. 
In jenen Jahren setzte generell eine umfassende 
Ankaufstätigkeit des Coburger Hofs ein, dem nun 
- nach den finanziellen Einschränkungen der Na- 
poleonischen Ära -, nicht zuletzt aufgrund der 
französischen Reparationszahlungen, gewisse 
Mittel zur Verfügung standen. So betrieb Ernst I. 
ab 1815 intensiv den Umbau des Coburger Stadt- 
Schlosses, der Ehrenburg", die überwiegend mit 
französischen Möbeln, Bronzen und sonstigen Ac- 
cessoires ausgestattet wurdez": für die primär 
der Repräsentation dienenden Residenzräume bot 
sich das Pariser Spätempire anspruchsvoller Aus- 
prägung als adäquater Einrichtungsstil an". Die 
Anmerkungen 1-31 (Anm. 24 - 31 s. S. 4) 
'Als Zusammenfassung siehe Walter Heins: Das Haus ( 
und seine internationale Bedeutung. in: Aus Coburg Sta 
Land. Oberirankischer Heimatkalender 1953, S. 35-41. 
lHarald Bachmann: Herzog Ernst i. und der Coburger L. 
182171844. Coburg 1973 (: Coburger Heimatkunde un 
desgeschlchte lll23), S. 54H; Erich Keerl; Herzog Ernst 
Sachsen-Coburg zwischen Napoleon und Metternich. Dis 
Erlangen 1973, S. 1451i. 
1 Nach den Angaben der Herzogin-Mutter Augusts (Auszü 
dem Tagebuch der Herzogin Auguste von Sachsen-Cobur 
teld, geb. Prinzessin Reuß-Ebersdcrl, aus den Jahren il 
1821. Darmstadt O. J., S. 150 und 159) dauerte der Wiener l 
halt von September 1814 bis Ende Mai 1515. 
tSiehe die kontroverse Beurteilung der Beziehungen Erns 
Metternich bei Bachmann 1973(wle Anm. 2)S. 51 tt. und bt 
1974 (wie Anm. 2) S. 267". 
ßSiehe S. 5. 
"Gustav Hirschieid: Fursl Metternich und Herzog Ernst 
Sachsen-Coburg und Gotha. Coburg 1929(: Coburger i- 
kunde und Landesgeschlchte H19), S. 7; die Tasse kann ka 
den beiden Ansichlstasserl der Ftosenau KsVCo inv. N 
1071 und a. S. 1576 identisch sein. 
1 Hirschleld 1925, S. B. Daß der ehemals in der sog. Btbiiott 
Rosenau befindliche Tisch (1921 nach Callenberg iranl 
und heute dort nicht mehr nachweisbar) tatsächlich jen 
scflenk Meiternichs darstellt, wird durch die Aussage von 
Michael Amthor: Coburg und seine Umgebungen. Für r 
als Wegweiser, iür Einheimische zur Erinnerung. Coburt 
S. 63 bestätigt. Für den Entwurf zog Metternich offenbar 
Coburg tätigen Architekten Andre-Marie Ftenie-Gretry (nil 
gnin, wie Hlrschfeld liest) hinzu. - In seinem Denkesscf 
vom 2D. Oktober 1520 warb Metternich irri übrigen angeleg 
für die Erzeugnisse der Linzer Teppichmanuiaktur (Htr: 
1929, s. 718). ob es sich beidem auf der ebuacha des Ti 
Zimmers des Eürglaß-Schldßchens dargestellten Bodent 
(Abb. I) um eine Linzer Arbeit handelt, kann nicht sicher en 
den werden. 
'StACO, LA A l 28b 15 E V, Nr. 1, iOl. 516, 17. Juni 1515, d.i 
der Abreise von Ernst l. aus Wien: nächste Woche werde d 
trat über Eger nach Coburg geschickt werden. Oiienslcht 
das Gemälde nicht in Coburg erhalten. 
'Ebd. Nr. 1, iol. 12th, 11. November 1515, V. B. an 11.51.2 Lal 
habe den hiesigen Dienst verlassen und sei nach Berlin. 
gegangen. Für die Empfehlung von Langhans durch s. 
siehe jetzt Helmut Börsch-Supan in AussL-Kat. Karl Fr 
Schinkel. Architektur, Malerei, Kunsigewerbe. Berlin 
S. 125. in jedem Fall lenigte Langhans - vielletcht noch l 
f einige 1515 datierte Brunnenzeichnungen für die Fit 
(siehe Anm. B3). 
1' StACo, LAA i 28b 16EV, Nr.2, iol.2i, 37, 199,205 und 215 
vom 11. 3. 1516 bis 2. 9. 1519. Fur Moreau, der als Vertre 
Klassizismus aui die Coburger Schloßbauten offenbar 
Eintiuß nahm, siehe Richard H. Kastner: Das Werk des Ar 
ten Karl von Moreatl. in! alte und moderne Kunst Jg. 12 
H. 52, S. 5- 15. zuletzt AussL-Kat. Klassizismus In Wien 
tektur und Plastik. Wien 1975, u.a. S. 39 Vgl. auch unser 
74. 
" Symptomatisch iur den durch die politischen Konsieiiz 
und speziell den Wiener KongreB begünstigten lnformatio 
Kürlstleraustausch ist der Fall des italienischen Politiker 
nio Aldinl, der als Napoleonischer Würdenträger das n 
von Paris gelegene Schloß Montmorency mit Hilfe von Ma 
Freskanten und Stukkatclren prunkvoll ausgestattet hattt 
Junecke: Montmorency. Der Landsilz Charles Le Emu's 
1960, S. 25). Ernst I. ließ am 3. Dezember 1815 bei v. B. an 
ob Aidirii sich noch in Wien authalte und einige der früher 
tätigen Künstler empfehlen könne. Wie v. B. mitteilte, wai 
bereits abgereist iStACD, LA A i 25b 15 E V. Nr. i, iOl. 4G L 
Doch gehörte der tate in Coburg engagierte Dekoration 
Pietro Cremoninl aus Mendrisio (StACo, Bauamt 111) offe 
ltbn zu Aldinis Equipe. 
V Herzogllch sachsen-Coburgischer Staats-Calender aui oi 
1513. Coburg O. J., s. so; Herzoglich sadnsan-coburg-s 
dlscher Staals-Calender auf das Jahr 1519. Coburg 0. J.. 
11 Ebd. Jg. 1513. S. 33; Jg. 1519, S 1D; siehe auch Bachmar 
(wie Anrri. 2) S. 215, Anm. 196. 
1' Als kaiserllch-osterreichischer Generai der Kavallerie un 
ber des Ulanenregiments Nr.1 interessierte sich Ernst I. 
rur entsprechende Uniformen (u.a. StACo, LA A i 28b ' 
Nr. 2, foi. 22, G. März 1516). Auch zog er z. B. Erkundlgungt 
Heiducken-Uhiformen ein. Hierzu schrieb v. B. am 7. M. 
(ebd. Nr. 2. iol. 127): twas den Auftrag des Ser. rücksichtl 
Zeichnung der vollständigen Bekleidung eines Heiduckei 
langt, so sehe ich mich veranlaßt, diese Zeichnung mir t 
garn zu beschaffen, da bei denen hiesigen Herrscnattenr 
ducken ganz abgekommen slndx DIB farbige Zeichnun} 
Heiducken iindet sich ebd. Nr 2,101. 148. 
15 Aut 14.51.5 Anfrage vom SO. Mlrl 1817 hin unterrichtete V. 
zog Ernst i. über zwei aus dem Besitz der vormaligen Kdni 
Neapel, Caroline Murat, stammende Diademe, die zum i 
angeboten wurden (die Zeichnungen beider Diademe bi 
sich im Anhang von LA A l 28b 16 E V, Nr. 1). Näheres ü 
Schmuckstücke teilte ihm auch Prinz Ferdinand in sein: 
fen mit, die u.a. Skizzen von Ringen enthalten (StACo, LA 
16 A lll, Nr. 12, fol. 21 - 25). Doch da dem Herzog die Verzs 
se zu oberflächlich erschienen, verzichtete er schließlich 
1517 auf den Erwerb der Pretioserl, die er als Hochzeitsgt 
ke fiJr Seine Braut Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg in 
gefaßi hatte (StACo, LA A i 25b 15 E V, Nr. 2, fol. 125, 129, ' 
145). vgl. auch Anm. 19. 
1' Uber die Ankäufe von Wegen, Stichen und Glaswaren sie 
Anhang. 
"' StACo. LA A i 28b 16 E V, Nr. 1- 6 und Hofamt 101. 
" Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des 
tums Oesterrelch Bd. 12, Wien 1564, S. 251IB2 Bachmar 
(wie Anm. 2) S. 64: Keerl 1973 (wie Anm. 2) S. 259160. Fürd 
ner Palais Coburg siehe auch Renate Wagner-Rieger: Wi 
criitektur im 19. Jahrhundert. Wien 1970, S. 139140; Pläne 
lats befinden sich, zusammen mit denen andeierWienerl 
in StACO. Pläne Großformat tOB (frdl. Mitt. v. Herrn Ericl 
ender). 
W Siehe Ferdlnands Mitteilungen zu den Schmuck: 
(Anm. 15) sowie die Korrespondenz zwischen ihm und v.E 
die Lieferung von Möbeln, Lüstern u.a. lStACo, LA A i 25b 
Nr. 2, u.a. iol. 30). 
I" Siehe 1.5. elrl Schreiben des Kammerdieners Fteinhard z 
(ebd. Nr.2, 101.47). 
1' Die Regelung wurde zwischen Ernst und Ferdinand iörml 
einhart (ebd. Nr. l, rul. 24 und Nr.2, 1'111.91). 
11 v. Wurzbach (wie Anm.1E)Bd. tr, 1867, s 368-72- Allg 
Deutsche Biographie Bd. 21, Leipzig tees, . 36 o. 
2' Zuletzt AussL-Kat. Schlnkei 1951 (wie Anm. 9) S. 127 - 30. 
ließ sich die Urnbaupiane der Ehrenburg zur Prüfung und 
tui 1515 nach Wien schicken (ebd. S. 127). 
13 a Die französischen Bestellungen des Coburger Hd 
gleichfalls ausführlich dokumentiert sind, sollen an andel 
le besprochen werden. 

	        
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