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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIV (1879 / 168)

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Der Antheil, den die Frauen an der Industrie zu Sevres haben, be- 
schränkt sich auf die einfachsten Leistungen der Arbeiterin; 7 Frauen 
sind in der Fabrik selbst als Glasirerinnen (emailleuses oder decoupeuses) 
angestellt und erwerben 600 bis 720 Frcs. im Jahre; I0 Frauen arbeiten 
zu Hause als Glätterinnen und Vergolderinnen und werden nach einem 
bestimmten Tarifsatze bezahlt, der ihnen durchschnittlich das eben ge- 
nannte Einkommen der Fabriksarbeiterin sichert. 
Als Malerinnen fanden die Frauen immer nur in seltenen Ausnahms- 
fällen Verwendung. Die Arbeiten hervorragender Künstlerinnen, Meister- 
werke, die das Institut mit Pietät aufbewahrt, sind die_ der Damen Jacotot 
aus dem Jahre 1826, Ducloseau 1849, Laurent 1850, Gallois 1858, de 
Cool 1860; die letztgenannte Dame lebt noch, hat sich aber von dem 
Felde künstlerischer Thätigkeit zurückgezogen. 
Frau Apoil ist die einzige Künstlerin, die derzeit für die Porcellan- 
manufactur von Sevres arbeitet und ihr Talent wurde seitens der Direction 
als ein ganz hervorragendes und schöpferisches bezeichnet. 
Nicht zu übersehen ist, dass alle die Kunstwerke von Frauenhand, 
welche das Institut besitzt, ausnahmslos Copien von Bildwerken und Ge- 
mälden sind; die berühmten Originalarbeiten, welche die Producte der 
Fabrik schmücken, sind von Künstlern gemalt und danken ihre Entstehung 
der Erfindung männlichen Geistes. 
Da die Porcellanmanufactur von Sevres, schon um ihres Charakters 
als Staatsinstitut willen, nicht auf die kleinen Vortheile der Industrie und 
des Handels bedacht zu sein braucht und auch sehr wenig producirt, 
so hat sie keine Veranlassung, sich mit den stets geringer entlohnten 
weiblichen Arbeitskräften zu behelfen, die in der keramischen Industrie 
des Landes ziemlich häufige Verwendung finden. Die Direction von Sevres 
bezeichnete mir die tägliche Entlohnung, welche solche Frauen in den 
einschlägigen Etablissements erhalten, mit 2 bis 3 Frcs. Ich habe mich 
bemüht, anderweitige Erkundigungen einzuziehen, konnte aber nur in 
Erfahrung bringen, dass einzelne der grossen Fabriken 75 Frauen und 
mehr als Malerinnen beschäftigen, dass die Kunstleistung derselben sich 
aber auf das mechanische Ziehen der farbigen Linien und Kreise am 
Rande der Teller und Schüsseln beschränkt. Die Frage nach; besserer 
Frauenarbeit, die ich an Aussteller, Händler und Fabrikanten richtete, 
wurde fast mit Entrüstung zurückgewiesen. 
Trotz alledem habe ich die Ueberzeugung, dass die grosse Zahl der 
Schülerinnen, welche die gewerblichen Schulen zu Porcellanrnalerinnen 
erziehen, nicht erwerblos ist, dass die Angaben über die Entlohnung, 
welche die Mädchen finden, ihre Richtigkeit haben, dass sich die betref- 
{enden Lehranstalten über den praktischen Endzweck ihres Unterrichtes 
nicht täuschen, dass aber die Frauenarbeit in der Porcellanrnalerei gewiss 
noch nicht genügenden Credit besitzt und, schon um ihres notorisch ge-
	        
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