Man entdeckte, dass diese Arbeiten des Orients alle gleichartigen Gegen-
stände Europa's, alle englischen, deutschen und belgischen Teppiche, alle
französischen Decorationsstoffe völlig in Schatten stellten. Die Schuppen
fielen von den Augen, man sah und lernte.
Freilich, wie gesagt, es waren nur wenige Auserlesene, denen dieses
Glück zutheil wurde; die Menge ging theilnamslos vorüber und beugte
das Knie vor der Alleinherrschaft des französischen Geschmackes. Jene
wenigen waren englische Kunstfreunde und Künstler, denen sich ein
Deutscher, Semper, zugesellte, Kunstsammler, die ihr Auge an den Arbeiten
der Vergangenheit gebildet hatten und mit diesem Maßstabe die Arbeiten
der Gegenwart maßen. Ihre Namen, Redgrave, Robinson, Cole, Wor-
num u. a. sind wohl würdig genannt zu werden. Nennen wir noch einen
anderen Deutschen, den Prinzen Albert, der ja der Urheber jener ersten
Londoner Ausstellung gewesen war.
Diese Männerrwelche die Schwäche des französischen Geschmackes
erkannt hatten, sagten sich, dass man es besser machen könne, aber mit
welchen Mitteln und auf welchen Wegen? England 7- und um dessen
Hebung in der Industrie und im Geschmacke handelte es sich ja für sie
-- besaß weder die Künstler zur Erfindung und Ausführung noch im
Publicum den Geschmack, das Kunsturtheil, um die Dinge, welche man
für gut und richtig hielt, zu würdigen und zu lieben. Es mußten also die
Lehrer herbeigeschalft werden, um der Industrie die Künstler zu bilden,
und der englischen Nation musste ein besserer Geschmack - sie besaß
eigentlich gar keinen - anerzogen werden. Die Aufgabe war also eine
rein didaktische, eine didaktische in dem großartigsten Maßstabe. Es
war aber kein anderer Weg möglich. Vielleicht war es in anderen
Zeiten anders gegangen: so wie die Dinge lagen, konnte man nur durch
Lehre und Unterweisung, durch Bildung der Hand und Uebung des
Auges, durch Erweckung des Verständnisses und des Interesses zugleich
zum Ziel gelangen.
Eine Bildungsstätte zu schaffen, musste eine Sammlung von Vor-
bilderngegründet werden; ein Museum von solchen mustergiltigen oder
lehrreichen Gegenständen, welche aus jenen Zweigen der Industrie her-
vorgegangen waren, die reformirt werden sollten. Solche Sammlungen
hatten nun wohl, zumal als fürstliche Schatzkammern, existirt, man hatte
bisher aber niemals von einem Einfluss derselben auf das Gewerbe
etwas wahrgenommen. Wiederum bedurfte es also der Lehre, es bedurfte
der Männer, um das Verständniss dieser Gegenstände dem Gewerbestande
wie dem Laien zu vermitteln. Den erfindenden Kopf aber und die aus-
führende Hand zu bilden, dazu brauchte man eine Schule, in welcher
die Kunst gelehrt wurde, die Kunst natürlich, soweit sie für alle und die
weitesten Zwecke und Ziele der Industrie erforderlich war. (Forts. folgtJ