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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 1)

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mussten. Es gibt keine Memoiren, keine Tagebücher unserer alten 
Künstler, und auch in anderer Weise ist uns durch das Schweigen aller 
Zeitstimmen eine genauere Kenntniss der kunstgeschichtlichen Verhält- 
nisse jener Perioden sehr erschwert. In anderen Ländern, z. B. in Frank- 
reich, blühte gerade im x8. Jahrhundert die Literatur der Memoiren, 
Tagebücher und Briefe. In Oesterreich ist diese Art Literatur nur spärlich 
zu finden, undiwir dürfen uns wundern, dass z. B. jene zahlreichen Mit- 
glieder des Adels, welche die Künstler ja vorzugsweise beschäftigten, so 
wenig, ja fast nichts in ihren Correspondenzen über dieselben Meister 
aufgeschrieben haben, die ihnen doch behilflich waren, ihren Kunstsinn, 
ihre Pracht- und Prunkliebe an den Tag zu legen. Zeitungen gab es in 
jener Zeit fast keine, oder im modernen Verstande so gut wie keine, wir 
sind also in der Regel nur auf ganz zufällige Notizen angewiesen und 
außerdem auf Urkunden, welche jedoch eben erst die neueste Thätigkeit 
langsam an das Licht zu bringen bemüht ist. 
Als die- Barocke abgeblüht war und an ihre Stelle andere Erschei- 
nungen traten, als die akademische und classicistische und nach ihr die 
romantische und nazarenische Kunstepoche ihre Herrschaft ausbreitete, 
da war Aschenbrödel Barocke auch seitens der kunsthistorischen Literatur 
außerordentlich in Misscredit gekommen. Wenn man von ihr sprach, 
so geschah es nur mit tiefster Entrüstung, man hatte nur Scheltworte 
für sie in Bereitschaft, von dieser Epoche können wir daher historische 
Aufzeichnungen über die vorangegangenen Meister kaum erwarten. Nur 
die locale Topographie, die Beschreibung der Städte und Orte, in 
welchen die einzelnen Künstler geboren waren oder in welchen sie 
gewirkt haben, bestrebte sich, über den berühmten Landsmann doch 
wenigstens einige Notizen aufzubringen; diese durchwegs der Literatur 
des Vormärz angehörigen Arbeiten sind jedoch absolut unkritisch, unver- 
lässlich im höchsten Grade, sie stehen einer Urkundenforschung ganz fern 
und nehmen in die Kunstgeschichte stets mit besonderer Vorliebe eine 
ganze Menge von Anekdoten auf, wie denn die Anekdotenkräuierei in 
jener Zeit überhaupt sehr cultivirt und das eigentlich Wichtige hiebei 
über derlei bunten Geschichtchen ganz oberflächlich übersehen wurde. 
Erst in neuerer Zeit ist es auf dem Wege der Urkundenforschung hierin 
besser geworden, aber bei allem redlichen Eifer stehen wir doch erst 
im Anfangsstadium einer wissenschaftlichen Behandlung österreichischer 
Kunsthistorie und ich hatte daher allen Grund, Eingangs von einem noch 
unfertigen Bilde zu sprechen, das hier aufgedeckt wird. Nichtsdesto- 
weniger glaube ich aber, dass es nicht verfrüht sei, bereits von den 
Resultaten zu sprechen, wie sie vorliegen; ich glaube sogar, es sei 
nützlich, wenn der Forscher dem Publicum, das sich ja in neuerer Zeit 
auch für diese bisher so sehr vernachlässigte Periode lebhaft zu inter- 
essiren beginnt, von Zeit zu Zeit die Werkstatt aufthut; wenn er dem 
Publicuni Einblick gewährt in die augenblickliche Situation der wissen-
	        
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