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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 7)

DUO 
dem praktischen Zwecke von Mustern für das Kunstgewerbe wollen die 
Arbeiten der sogenannten Kleinmeister aufgefasst sein. Dann muss aber 
auch die früher erwähnte Einschränkung fallen und allen Ornamentisten 
des 16. Jahrhunderts, den Schöpfern der Verzierungskunst der deutschen 
Renaissance möchte ich heute vor Ihnen gerecht werden. Die wenigen 
Nürnberger Künstler, deren biographische Daten ich bisher in Kürze vor- 
führte, zählen da immerhin in erster Reihe, aber als der vielseitigste und 
in einem gewissen Bezug am meisten deutsche unserer Ornamentiker 
muss Heinrich Aldegrever genannt werden. Er ist circa 1502 wahr- 
scheinlich zu Paderborn aus den armseligsten Verhältnissen als Sohn 
eines Trippenmachers (Trippen : hölzerne Unterschuhe) geboren. Seine 
spätere Zuneigung zur Sache der Reformation wird schon von seinem 
Vater genährt worden sein; als im Jahre 1532 auf dem Marktplatze von 
Paderborn 16 Bürger wegen reformatorischer Agitation hingerichtet 
wurden, drängte sich der Vater Aldegrever auf Krücken durch das 
Volk hinzu und rief, man möge ihn nur auch umbringen, denn er sei 
ebenso schuldig wie jene Armen. In solcher Luft konnte sich der junge 
Aldegrever nicht wohl fühlen und wir linden ihn zwei Jahre später in 
dem freier gesinnten Soest, wo er dann als eingesessener Bürger bis zu 
seinem Tode (nach 1555) blieb. Wenn er gewöhnlich als Schüler Dürer's 
bezeichnet wird, so ist dies nur insoweit richtig, als er Stiche von Dürer 
und von dessen Schülern Hans Sehald und Barthel Beham copirt. Be- 
sonders Letzterer ward für seine Stichelführung musterhaft und BarthePs 
Blätter mit Renaissancemotiven wurden für die Einführung Aldegrevers 
in die moderne Formenschönheit ebenso lehrreich als G. Pencz, nach 
dessen Zeichnung er auch fünf Blätter gestochen hat. Ueberhaupt war 
Aldegrever eine sehr receptive, anschmiegsame Künstlernatur. Dass er 
durch Holbein's berühmte Todtentanzbilder und durch Marcantons 
RaffaeVschen Kinderreigen zu Nachcompositionen angeregt wurde, kann 
uns nicht Wunder nehmen; interessanter für seinen künstlerischen 
Charakter ist es, dass er uns in vielen seiner Compositionen, besonders 
in dem Proportionsverhältnisse seiner Figuren mit kleinen Köpfen auf 
langen Körpern an Lucas Leyden, und auch im Ornament an seine 
niederländischen Zeitgenossen (einen Dirk von Staren und den Meister 
G. J. von 1527) gemahnt. Somit haben wir in Aldegrever, als einem 
Westphalen einen rechten Vermittler zwischen ober- und niederdeutscher 
Kunst zu erblicken und wenn wir erwägen, dass von seinen circa 290 
Stichen gerade too reine Ornamentstiche sind, so darf er in der That als 
der beste Vertreter der deutschen Ornamentmeister des x6. Jahrhunderts 
bezeichnet werden. Dies gilt umsomehr, als er neben seiner Gabe der Auf- 
nahrnsfähigkeit ein noch viel bedeutenderes Talent besass, das von anderen 
Meistern und Kunstströmungen Entlehnte in treiilicher Weise zu wahren 
Originalschöpfungen zu verarbeiten. Von seinen übrigen Stichen ver- 
{heilen sich 6x auf die heilige Geschichte des alten und neuen Testa-
	        
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