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dem praktischen Zwecke von Mustern für das Kunstgewerbe wollen die
Arbeiten der sogenannten Kleinmeister aufgefasst sein. Dann muss aber
auch die früher erwähnte Einschränkung fallen und allen Ornamentisten
des 16. Jahrhunderts, den Schöpfern der Verzierungskunst der deutschen
Renaissance möchte ich heute vor Ihnen gerecht werden. Die wenigen
Nürnberger Künstler, deren biographische Daten ich bisher in Kürze vor-
führte, zählen da immerhin in erster Reihe, aber als der vielseitigste und
in einem gewissen Bezug am meisten deutsche unserer Ornamentiker
muss Heinrich Aldegrever genannt werden. Er ist circa 1502 wahr-
scheinlich zu Paderborn aus den armseligsten Verhältnissen als Sohn
eines Trippenmachers (Trippen : hölzerne Unterschuhe) geboren. Seine
spätere Zuneigung zur Sache der Reformation wird schon von seinem
Vater genährt worden sein; als im Jahre 1532 auf dem Marktplatze von
Paderborn 16 Bürger wegen reformatorischer Agitation hingerichtet
wurden, drängte sich der Vater Aldegrever auf Krücken durch das
Volk hinzu und rief, man möge ihn nur auch umbringen, denn er sei
ebenso schuldig wie jene Armen. In solcher Luft konnte sich der junge
Aldegrever nicht wohl fühlen und wir linden ihn zwei Jahre später in
dem freier gesinnten Soest, wo er dann als eingesessener Bürger bis zu
seinem Tode (nach 1555) blieb. Wenn er gewöhnlich als Schüler Dürer's
bezeichnet wird, so ist dies nur insoweit richtig, als er Stiche von Dürer
und von dessen Schülern Hans Sehald und Barthel Beham copirt. Be-
sonders Letzterer ward für seine Stichelführung musterhaft und BarthePs
Blätter mit Renaissancemotiven wurden für die Einführung Aldegrevers
in die moderne Formenschönheit ebenso lehrreich als G. Pencz, nach
dessen Zeichnung er auch fünf Blätter gestochen hat. Ueberhaupt war
Aldegrever eine sehr receptive, anschmiegsame Künstlernatur. Dass er
durch Holbein's berühmte Todtentanzbilder und durch Marcantons
RaffaeVschen Kinderreigen zu Nachcompositionen angeregt wurde, kann
uns nicht Wunder nehmen; interessanter für seinen künstlerischen
Charakter ist es, dass er uns in vielen seiner Compositionen, besonders
in dem Proportionsverhältnisse seiner Figuren mit kleinen Köpfen auf
langen Körpern an Lucas Leyden, und auch im Ornament an seine
niederländischen Zeitgenossen (einen Dirk von Staren und den Meister
G. J. von 1527) gemahnt. Somit haben wir in Aldegrever, als einem
Westphalen einen rechten Vermittler zwischen ober- und niederdeutscher
Kunst zu erblicken und wenn wir erwägen, dass von seinen circa 290
Stichen gerade too reine Ornamentstiche sind, so darf er in der That als
der beste Vertreter der deutschen Ornamentmeister des x6. Jahrhunderts
bezeichnet werden. Dies gilt umsomehr, als er neben seiner Gabe der Auf-
nahrnsfähigkeit ein noch viel bedeutenderes Talent besass, das von anderen
Meistern und Kunstströmungen Entlehnte in treiilicher Weise zu wahren
Originalschöpfungen zu verarbeiten. Von seinen übrigen Stichen ver-
{heilen sich 6x auf die heilige Geschichte des alten und neuen Testa-