Zur Kenntniss der gravirten Bronzeschüsseln des
Mittelalters.
Was an Metallschiisseln aus dem Mittelalter bis auf uns gekommen
ist, lässt sich ungezwungen in mehrere Gruppen bringen. Die aus Bronze
oder verwandtem Materiale gefertigten Gefäße dieser Art nehmen darunter
gewiss keine untergeordnete Bedeutung in Anspruch, besonders die
Limousiner Schüsseln mit Grubenschmelz aus dem 13. Jahrhunderte und
die meist etwas älteren Schüsseln mit gravirten Zeichnungen. Eine große
Anzahl von getriebenen Becken, die für sich auch wieder eine gewisse
Gruppe bilden, dürften zumeist nicht mehr dem Mittelalter angehören,
wenngleich sie vielfach noch gothische Formen zeigen und ehemals für
vuraltu gehalten wurden '). Eher scheint das 16. Jahrhundert die Blüthe-
zeit jener getriebenen Schüsseln gewesen zu sein, von denen viele Bei-
spiele sogar noch aus den späteren Jahrhunderten bekannt sind").
Wir geben heute auf diese jüngeren Gruppen von Denkmälern nicht
näher ein, sondern wollen uns mit jenen Bronzeschüsselu beschäftigen,
die in ihrer Gruppe Vertreter im Stile "noch des hohen Mittelalters auf-
zuweisen haben. Einzelne Monumente dieser Art sind an verschiedenen
Orten beschrieben worden. Hier soll versucht werden, das zerstreute
Material zu ordnen und durch einige Vermuthungen anregend auf die
Forschung zu wirken.
Schon im Jahre 1819 wurde eine bei Stade gefundene gravirte
mittelalterliche Schüssel beschrieben; 1849 eine bei Pöddes gefundene;
1868 ist das gravirte Bronzebecken des Pester Nationalmuseums von
Römer veröffentlicht worden. Seither, besonders im Verlaufe der letzten
Jahre, hat man noch mehrere solcher Denkmäler an die Oeifentlicbkeit
gebracht.
Die Bronzeschüssel, die bei Stade"") gefunden ist, zeigt folgende
Darstellungen, die ich nach der ersten Publication beschreibe: ein der
Mitte sitzt in einem Kreise eine gekrönte Figur, die in jeder Hand einen
Reichsapfel .. . zu halten scheint, mit der Inschrift: Superbia; um diese
sind vier Brustbilder KIOlatia (idolatria), ANdia (invidia), Ira, Luxuntia
(luxuria) bezeichnet . . . . . . . Näher am Rande steht zwischen den Köpfen
') Vergl. nCuriositälen der physisch-literurisch-nrtinisch-hislorischen Vor- und
Mitwelt: Weimar. V. Bd. (1316), S. 386 (f. nBemerkungen über die lnsehriften drei uralter
metnllcner Beckenm Vergl. auch nCuriusikätenl VIIl., S. 229 E.
"") Vergl. Katalog der hislor. Bronze-Ausstellung des k. k. Oesterr. Museums 1333,
Nr. 880 G. Ueber derlei Schüsseln siehe auch nAnzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit-
1853 S. 16, 1854 Sp. 11 6., 1861 Sp. 318 5., 1864 Sp. 325 5., 1874 Sp. 175, 1876
Sp. 193 E. _
m") Die Schüssel von Stade ist beschrieben in den nGdningischen gelehrten Anzeigen:
vom 4. Ocxober 1819 (S. 1585 f.).