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Internationale 
r-2ßifung 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
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19. Jahrgang. Wien, 15. Oktober 1927. Nr. 19. 
ßeidenscfiaftfiche Sfagd nach Antiquitäten. 
Aus dem „Persischen Tagebuch“ von Claude Anet. 
Ins Deutsche übertragen von Georg Schwarz (Wien). 
Der bekannte Uebersetzer der Werke Claude 
Anets Herr Georg Schwarz stellt uns in 
liebenswürdiger Weise drei Kapitel aus dem in 
deutscher Sprache bisher noch nicht erschienenen 
„Persischen Tagebuch“ des geschätzten Schrift 
stellers zur Verfügung, die dessen Erfahrungen 
als Sammler behandeln und darum des Interesses 
unserer Leser sicher sind. 
Kann es etwas Erregenderes geben, als die Jagd 
nach Antiquitäten? Mich wird sie bis aus Ende der 
Welt führen. 
Wie viele Jäger verfolgen auf den geschichtslosen 
Ländereien von Uganda den Löwen? Auf meiner 
Jagd komme ich nur durch Länder, die reich an Er 
innerungen einer alten Zivilisation sind, deren Boden 
die Ruinen von Bauwerken aus alter Zeit bedecken 
und deren Gefilde für diejenigen, die zu betrachten 
verstehen, noch von den Leidenschaften und Gedan 
ken der Menschen, die lange vor uns gelebt haben, 
erfüllt sind. 
In solcher Weise erforsche ich den Orient, von 
dem die Künste zu uns kamen. 
Ein Löwe gleicht allen anderen Löwen. Hat man 
seine Fährte aufgespürt, ihn gestellt und getötet, weiß 
man doch, daß es noch hunderte Löwen gibt, die 
diesem einen, der hier am Boden liegt, vollkommen 
gleichen. Doch wenn ich in Persien eine Löwin ,aus 
Bronze erlegt hatte, die Alexander der Große dahin 
gebracht, fühlte ich ungleich höhere Erregungen. 
Zwei Jahre hatte ich gebraucht, ehe ich sie zu finden 
vermochte, obwohl ich von ihrem Vorhandensein 
genaue Kenntnis besaß. Und als ich sie endlich vor 
Augen hatte, waren noch sieben Monate nötig, ehe es 
mir gelang, sie in meinen Besitz zu bringen. Sie ist 
schön, und ich habe die Freude des Bewußtseins, daß 
es keine zweite unter dem Himmelsgewölbe gibt, die 
ihr gleichwertig wäre. Solches Wild ist wahrhaft 
leidenschaftlicher Verfolgung wert. 
Man wird mir entgegnen, daß die Jagd auf Hoch 
wild das Vergnügen des Wagnisses und das so köst 
liche Gefühl der Gefahr bringe. 
Nun, ich leugne dies nicht. Für eine starke Seele 
liegt darin ein Reiz. Doch die Reisen, die ich unter 
nehme, haben auch viel Abenteuerliches und sie stehen, 
nimmt man sich die Mühe, es recht abzuwägen — 
was äußerst schwierig ist, denn man müßte mit 
großem Scharfsinn den Begriff der Gefahr unter 
suchen, um beurteilen zu können, was er denn um 
schreibt, ihn von aller Romantik und allem Exotischen, 
das ihm anhaftet, loslösen und würde dann vielleicht 
finden, daß irgendein Pariser, der zur Zeit des größten 
Verkehrs diese oder jene Straße überquert, ungleich 
größeren Gefahren gegenübersteht als der Sportmann, 
der an einer gut organisierten Löwenjagd teilnimmt 
— hinter der Großwildjagd nicht zurück. 
Auch ich gehe, wie sie, auf Reisen. Doch unter 
Bedingungen, die weit verlockender sind. Denn wo 
hin, ich bitte Sie, führt ihr Weg? Ins Dickicht. Meiner 
aber entlang den großen Straßen, die vor hundert 
Jahren von Menschen angelegt wurden. Meine Reisen 
führen nach Konstantinopel und Samarkand, den 
kaiserlichen Städten Ispahan und Bukara, Rhage, das 
bloß noch Staub ist, Tiflis und Hamadan, Mesched und 
Khum, den heiligen Städten. Jene kennen den Kongo; 
ich überschritt den Oxus, der lange Zeit die Grenze 
zweier Welten bildete. 
Wenn ihnen die Kunst der Treiber einen Löwen 
zuführt, dann zögern sie nicht. Es kann keine Täu 
schung in der gelieferten Ware geben. 
Anders in dem Sport, dem ich huldige. Wie viele 
Fallen werden einem gestellt, welchen Listen ist man 
ausgesetzt! Ja, es ist seltsam. Hier wendet nicht der 
Jäger sie an, um das Wild zu erlegen, der Jäger selbst 
läuft Gefahr, in einer Schlinge gefangen zu werden. 
Sobald das Kunstwerk auf der Weltbörse der Antiqui 
täten einen Wert bedeutet, ruft es sofort den Fälscher 
auf den Plan, in Peking ebenso wie in Teheran, in 
Athen und am Bosporus, in Paris, Kairo, Wien und 
Valencia. Gleich finden sich immer äußerst geschickte 
Hände, die eine byzantinische Vase, ein griechisches 
Schmuckstück aus Gold, eine Statuette aus ägypti 
schem Marmor, ein Elfenbeinkunstwerk aus dem 
dreizehnten Jahrhundert oder einen Rembrandt so 
vorzüglich herzustellen verstehen, daß auf der ganzen 
Welt kaum ein Dutzend Kenner auf jedem einzelnen 
dieser Gebiete zu entscheiden vermögen, ob der 
Gegenstand, den man ihnen anbietet (und mit welcher 
überschlauen Inszenierung wird er angeboten!) echt 
sei oder nicht. Dadurch erhält der Sport, den ich 
betreibe, ein erschreckendes Maß von Unsicherheit
	        
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