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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 10)

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wand), bedeckt mit Verzierungen in gestochener Arbeit. Die Rückwand 
schmückt eine Rosette; in die Zwickel. die diese mit der viereckigen 
Umrahmung bildet, erscheint ein Geranke mit lotusartigen Blüthen hin- 
eincornponirt. Die Vorderwand zerfällt in zwei quadratische Felder; das 
eine ist mit Arabesken, das andere mit granatapfelartigen Blüthen an 
symmetrisch aufsteigendem Geäste gefüllt. Die Linienführung ist eine äußerst 
correcte, das Ornament in seiner Stilisirung und flachen Behandlung in 
vollkommenern Einklang mit der Technik. Man könnte versucht sein, 
den deutlichen orientalischen Charakter an diesen Füllungen auf unmittel- 
baren orientalischen Einlluss zurückzuführen, doch sind die Ornamente 
selbst ohne Zweifel nordisch gothischer Abkunft, und was uns daran 
orientalisch erscheinen möchte, das ist nur die ausgezeichnete Behandlung 
in der Fläche, die uns an einer gothischen Arbeit überraschend vorkommt. 
Diese gestochenen Füllungen sind ein neuerlicher Beweis für die Fähigkeit 
der Gothik, aus sich selbst heraus Flächenverzierungen zu schaffen, ohne 
unmittelbare Anleihen beim Orient machen zu müssen, dem sie über- 
haupt gewiss viel minder fremd und befangen gegenüberstand, als wir 
nach den heutigen Verhältnissen rückschließen möchten. 
Von gothischen Holzarbeiten sind ferner noch die Wand eines 
deutsch-gothischen Chorgestühls und mehrere Füllungen und 
Leisten zu erwähnen; unter letzteren Findet sich eine mit gestochener 
Inschrift, deren friesartig nebeneinander gesetzte Buchstaben deutlich ver- 
rathen, dass auch den Abendländern des späteren Mittelalters das orien- 
talische Geheimniss des Schriftornaments nicht fremd geblieben ist. 
Eine weitere werthvolle Bereicherung bieten zwei Faltstühle, welche 
typische Möbelform im Museum bisher nur durch eine moderne Copie 
(von Materozzoli in Florenz) eines mit Certosiner Mosaik ausgelegten 
altitalienischen Originals vertreten war. Einige interessante Kerb- 
schnitzer eien und ein Kästchen mit geometrischer Holzintarsia gehören 
wohl schon der neueren Zeit an. 
Unter den figuralen Holzschnitzereien ragt insbesondere ein 
Adam hervor, in polychromer Behandlung, nackt, mit Blattkranz um 
die Lenden, den Körper stark ausgebogen wie nach dem gothischen ldeal, 
mit herbem Gesichtsausdruck, in der Linken den Apfel, mit der Rechten 
nach Aufwärts weisend. Dieser rechte Arm ist aus irgend einem Grunde, 
muthtuaßlich wegen unzureichendern Holzmaterial, erheblich zu kurz aus- 
gefallen, was aber der Schnitzer durch eine entsprechende Art der Biegung 
des Armes auszugleichen bemüht war. Wenn _tnan nämlich die Figur, 
die doch gewiss für einen bestimmten Standort (wahrscheinlich an einem 
Altare) gefertigt wurde, von jener Seite her betrachtet, die muthmaßlich 
nach der ursprünglichen Bestimmung dem Beschauer zugewendet sein 
sollte, so erscheint der rechte Arm gleichsam in natürlicher Verkürzung, 
und der Fehler macht sich in diesem Falle minder bemerkbar. Die Arbeit
	        
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