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Launen, nicht in der Willkür der Schneiderphantasie, sondern im Gang
der Geschichte, in dem Werden und Wandel des Zeitgeistes.
In diesem Sinne, nicht als eine Belustigung, sondern als eine
Belehrung ist die Costümausstellung im Oesterr. Museum gemeint.
Freilich jene Gesichtspunkte alle vollauf zu erfüllen, reichten weder
Raum noch das Material hin. Eine Geschichte der Trachten in den
echten, nicht etwa nach Bildern fabricirten Beispielen - und nur um
jene handelte es sich - in ihrem Zusammenhange darzustellen, ist über-
haupt aus Mangel der erhaltenen Gegenstände unmöglich. Wenn wir
von den jüngst in Aegypten gemachten Funden absehen, so hat uns das
Alterthum an stotllicher Kleidung überhaupt nichts erhalten, und nur
Weniges, nur Vereinzeltes ist es, was aus dem Mittelalter übrig geblieben.
Fast allein die Kirche hat Ueberreste in vollen und wohl erhaltenen
Kleidungsstücken, selbst noch aus dem frühen Mittelalter; Gebrauch und
wechselnde Mode aber haben den leicht vergänglichen Stoß" der bürger-
lichen Kleidung überall aufgezehrt. Erst mit dem 16. Jahrhundert, mit
dem Zeitalter der Landsknechte beginnen die erhaltenen Gegenstände,
und auch aus dieser Zeit sind sie noch so vereinzelt, dass eine voll-
ständige Kunde, eine Uebersicht des Werdens, Wachsens und Vergehens
der Moden aus ihnen nicht zu gewinnen ist. Reicher fließt zwar die
Quelle, je näher wir der Gegenwart kommen; doch auch aus diesen, uns
nahe liegenden Zeiten kostet es Mühe solche Gegenstände, die wirklich
getragen waren, in erwünschter Fülle zusammenzustellen. Die öffent-
lichen Museen haben sich kaum der Sache bemächtigt, das Material ist
zerstreut bei Antiquaren, in den Depöts der Theater, in Privatsamm-
lungen zumal der Künstler; höchst selten, dass sich einzelne kostbare
Gewänder im Besitz von Familien erhalten haben. Die Nachfrage war in
den meisten Fällen umsonst.
Es ist daher selbtsverständlich, dass aus dem historischen Gesichts-
punkte bei einer Costümausstellung, die nur Echtes und Altes vorzeigen
will, von einer Vollständigkeit, ja nicht einmal von Lücken die Rede sein
kann; man muss sich mit Einzelheiten begnügen und zufrieden sein, wenn
diese charakteristisch, interessant, schön und reich sind. Und in dieser
Beziehung ist unsere Ausstellung wohl versehen.
Aber wenn die historische Abtheilung so natürlichen Hindernissen
begegnete, so sind die Fundgruben für die nationale Tracht, soweit sie
heute noch lebendig ist, selbst für ältere Formen derselben, umso reicher.
Wir selber in Wien sind umgeben von einer unerschöpflichen Fülle der
Landestrachten, und wenn viele auch heute verschwunden oder im Ver-
schwinden begritfen sind, wie sie z. B. in Böhmen großentheils schon aus-
gestorben sind und in den deutschen Alpenländern vergehen, so ist doch
noch so Vieles und so vielerlei an alter und echter Art zu erlangen, dass
uns bei beschränkten Räumlichkeiten eher vor der Fülle bangte, als vor
dem Mangel. Dalmatien mit seinen Nachbarvölkerschaften, Ungarn und