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Wie der Lehrer und Leiter der Schule dem unmittelbar praktischen
Zwecke, welcher der Schule gestellt war, sofort gerecht zu werden suchte,
konnte man aus der Betrachtung der ausgestellt gewesenen Schüler-
arbeiten am besten entnehmen. Auf Schaustücke war in keiner Weise
ein aufdringliches Gewicht gelegt, wiewohl es auch an solchen nicht
fehlte: ein Pfirsichblüthenzweig z. B., gleichfalls auf der Maschine gestickt,
konnte sich mit der japanischen handgestickten Vorlage ruhig messen.
Solchen Ausnahmen gegenüber überwog weitaus die gewöhnliche Alltags-
gebrauchwaare: schmale Kanten und Bordüren u. dgl. mit bescheidenen
Mustern, aber nichtsdestoweniger mit peinlicher Sauberkeit ausgeführt.
Genauigkeit und tadellose Sauberkeit auch an den geringsten Erzeug-
nissen: diese unabweislichen Postulate einer jeden Arbeit den Schülern
beizubringen ist oberster Leitgrundsatz des dermaligen Schulleiters. Neben
den auf Vorrath gearbeiteten großen Stücken war auch auf angewandte
Stickereien Bedacht genommen, insbesondere auf Costümbestandtheile und
ganze Costümstücke. Letzterer Vorgang erscheint in der That dermalen
zeitgemäß unter Hinblick auf den Umstand, als die Mode bereits eine
unverkennbare Tendenz verräth, die Stickerei wiederum in das Costüm,
und zwar zunächst in das weibliche Costüm einzuführen. Herr Erni
wollte aber damit auch zeigen, wie man hinsichtlich der Verwerthung
der Stickerei keineswegs auf die Vermittlung des St. Galler Marktes allein
angewiesen wäre und im Inlande selbst sich allmälig ein zweckmäßiger
und lohnender Vertrieb anbahnen ließe. Mit den Wiener Confectionären
haben die Vorarlberger Sticker bereits mehrfache directe Beziehungen
hergestellt.
Die vorhin hervorgehobene Sauberkeit in der Ausführung wurde
großentheils dadurch gefördert, dass für den Unterricht in der Nach-
besserung mittelst Handstickerei eine eigene weibliche Lehrkraft bestellt
ist. Doch sorgt Erni's Unterricht in der sorgfältigen Handhabung der
Maschinen dafür, dass das Bedürfniss nach Nachbesserungen, bisher in
der Regel ein so schreiendes an den Vorarlberger Erzeugnissen, ein immer
geringeres werde. Die Berufung eines entsprechend geschulten Zeichen-
lehrers als artistischer Hilfskraft wird als bevorstehend bezeichnet.
Der Standpunkt, von dem aus die in Rede stehende Ausstellung in
diesem Berichte betrachtet erscheint, ist derjenige der Kunst im Gewerbe.
Die technologischen und commerciellen Fragen, die damit zusammen-
hängen und die gleichfalls im Lehrplan der Schule ihren Ausdruck
gefunden haben, entziehen sich der Besprechung an dieser Stelle; treßliche
Auskunft darüber gibt der vorn Schulleiter Erni verfasste und im Verlag
der k. lr. Fachschule zu Dornbirn erschienene erste Jahresbericht dieser
Schule. Auch die darin enthaltenen Daten über die Frequenz der Schule,
über die Organisation der externen Lehrcurse u. dgl. sind zu beachten,
da sie den Beweis dafür erbringen, dass die Schule in der That blos die
vorhandenen Arbeitskräfte stärken und zu tüchtigerem Können anleiten