Die Ausstellung der k. k. Stickerei-Fachschule
zu Dornbirn.
Von Alois Riegl.
Die k. k. Fachschule für Maschinstickerei zu Dornbirn in Vorarlberg,
seit deren Eröffnung noch kein Jahr verstrichen ist, benlitzte bereits die
Ferialwochen im Monate August, um in ihren für diese Zeit frei gewor-
denen Räumlichkeiten einerseits ihre Lehrmittel, andererseits Beweise
ihrer bisherigen Leistungen in Form von Schülerarbeiten einem größeren
Publicum zur Anschauung und zur Beurtheilung vorzulegen. In dem
engeren Heimatslande, bis in die hochgelegenen Thäler hinauf, begegnete
die Ausstellung regem Interesse; man ist sich daselbst eben bewusst,
welch' schwerwiegende wirthschaftliche Interessen des Landes mit dem
Gedeihen der Maschinstickerei zusammenhängen, und theilt mit dem
stammverwandten schweizerischen Nachbarn auch den praktischen und
strebsamen Sinn, der die Dinge nicht sich selbst überlässt, sondern recht-
zeitig nach Ausrottung eines einmal erkannten Uebels und nach Be-
Schaffung eines Besseren trachtet. Aufmerksame Beachtung fand die Aus-
stellung ferner von Seite der schweizerischen Anrainer, der St. Galler
Sticker und Verleger, was bei dem Umstande, als die vorarlbergische
Stickerei vom St. Galler Markte heute noch vollständig abhängig ist,
nur natürlich erscheint. Aber die Existenz dieser Schule und der Erfolg
ihrer ersten Ausstellung als Beweis für die fernere Existenzberechtigung
derselben verdienen auch über die Gaue südwärts vorn Bodensee hinaus
beachtet zu werden, in Kreisen, die zwar nicht ein unmittelbares wirth-
schaftliches Interesse dabei im Spiele haben, aber flir die moderne kunst-
gewerbliche Entwickelung in wirthschaftlicher Beziehung ein wachsames
und verständnissvolles Auge besitzen.
Vor etwa zehn Jahren wäre eine Fachschule für Maschinstickerei in
Oesterreich geradezu undenkbar gewesen. Wo man alle Kräfte anspannte,
um die walten Techniken" und die ihnen entsprechende Handarbeit bei
wenigen und einfachen Werkzeugen zu retten, dort hätte es ja dem
Feinde Thür und Thor öffnen geheißen, wenn man den Maschinenbetrieb
auf einem kunstgewerblichen Gebiete von Staatswegen zu fördern unter-
nommen hätte. Es ist noch nicht lange her, dass man zur Ueber-
zeugung gelangte, dass wenigstens auf gewissen Punkten der fortgesetzte
Kampf nicht rblos aussichtslos, sondern sogar wirthschaftlich schädlich
wäre. Als erste praktische Folge dieser gewonnenen Einsicht kann man
die Gründung der k. k. Lehranstalt für Photographie und Reproductions-
verfahren betrachten. Auf diesem Gebiete wurde der entscheidende Schritt
allerdings schon durch historische Erwägungen erleichtert. Jedermann
wusste, dass schon vor mehr als vierhundert Jahren die Erfindung der
Bucbdruckerkunst im Bereiche der Biicherillumination eine ähnliche Re-
volution hervorgerufen hatte, wie wir sie in unserem Jahrhundert auf so
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