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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 5)

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ein echtes Mittelglied zwischen Italien und der Alpenzone. Es nahm an 
dem ersten Aufschwung der östlichen Poebene theil, aber es bewahrte 
sich seinen Bronzezeitcharakter, während ltalien mit vollen Segeln in das 
neue Fahrwasser der ersten Eisenzeit hineinsteuerte. 
Die interessanteste Erscheinung der Bronzezeit in Italien sind die 
Terramaren der Emilia. Es sind bekanntlich umwallte Pfahldörfer auf 
trockenem Boden. Die Erhöhung der Baufläche geschah zum Schutze 
gegen die Ueberschwemmungen, welchen die weitgedehnte Poebene so 
häufig ausgesetzt ist, und die Wahl des Pfahlrostes statt des Erdauf- 
wurfes beruht auf alter Tradition; denn die Terramaren sind eine Fort- 
setzung der östlichen oder venetischen Seestationen; sie sind die Ueber- 
gangsform, unter welcher das Pfahlbauleben mitten im Zuge der fort- 
schreitenden Entwicklung zu Ende ging. Peschiera liegt gleichsam an 
dem Rande dieses Stromes und erhielt sich deshalb unberührt von 
den Wirkungen desselben. Das Gleiche gilt von der abseits liegenden 
Schweizer Pfahlbauregion, die ein lange dauerndes und bochentwickeltes 
Bronzealter repräsentiren, während bei uns in Oesterreich -- und das ist 
wieder sehr bezeichnend für die allgemeine Richtung jenes Culturstromes 
- das ganze Pfahlbauwesen nicht über die jüngere Steinzeit hinausreicht. 
Jene emilianischen Bastard-Pfahlbauten sind außerdem höchst be- 
achtenswerth als Zeugnisse eines ersten großen Haltes, welchen die ein- 
wandernden ltaliker im Norden ihrer Halbinsel gemacht haben. Sie sind 
mit ihrer durchgängigen pedantischen Orientirung nach den vier Himmels- 
richtungen, mit ihrem durchaus agricolen Charakter und vielen anderen 
bezeichnenden Merkmalen der älteste bekannte Ausdruck jener Geistes- 
richtung, in deren erweiterten Bahnen die italischen Stämme die Welt- 
herrschaft erstritten und behaupteten. Aber das Handwerk liegt in 
bedenklicher Weise darnieder, und von Kunst ist gerade soviel vor- 
handen, um den fast völligen Mangel dieses Triebes bei den Terra- 
maricolis zu zeigen. Diese poesielosen Bauern widerstanden in angeborener 
Tüchtigkeit der Versuchung, in den sie rings umgebenden Wäldern ein 
freies romantisches Jäger- und Hirtenleben zu führen, wie es vor ihnen 
und neben ihnen die halbwilden Ligurer führten. Sie besaßen tiefe An- 
hänglichkeit an die Scholle, einen hohen Sinn für Ordnung und Gesetz, 
ja selbst für die Zucht der äußeren Erscheinung ihrer Person, wie das 
häufige Vorkommen von Kämmen und Rasirmessern in den Ruinen ihrer 
Wohnstätten bezeugt. Diese Leute drückten sich nicht mehr mit Röthel 
beschmierte Thonstempel auf die Gesichts- und Brusthaut. Aber sie 
thaten auch wenig, um das sesshafte bäuerliche Dasein durch Ausbildung 
eigener oder Uebernahme fremder Erfindungen behaglicher und anmuthigc r 
zu gestalten. 
Sie betrieben den Bronzeg uss. Das bezeugen die erhaltenen Stein- 
gussformen von Lanzenspitzen, Dolchen, Sicheln, Meißeln, Rasirmessern. 
Das Metall erhielten sie fertig von auswärts; es war eine kostbare Sache
	        
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