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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 11)

über Phönix, Sirenen, Basilisken u. s. w. zeugen davon, dass sie den Physio- 
logus kannten. Niemand, der die mittelalterliche Phantastik an den Bildern 
unserer Dome, oder in den Gemälden, oder in Dichtungen wenigstens 
einigermaßen verstehen will, kann das Buch aus der Hand lassen. Ja, 
die ganze Naturkunde des Mittelalters (Etymologien des heil. lsidor von 
Sevilla, 1- 636, des Thomas von Cantitnprä, zwischen m33 und 1248, selbst 
manche Ansichten des ziemlich gut arbeitenden heil. Albertus M., ca. 1250, 
und des Vincentius Bellovacensis, 1250, um nur die bedeutensten Namen 
zu nennen) sind vom Physiologus abhängig. 
Wenn aber nun das Büchlein schon um das Jahr 140 n. Chr. ent- 
standen ist, wenn schon bei sehr alten griechischen Kirchenvätern sich 
Spuren dieses Buches finden, wenn mit Recht vorausgesetzt werden kann, 
dass man in den ersten christlichen Jahrhunderten die naturgeschicht- 
lichen Fabeln, wie sie bei Plinius und seinem Nachtreter, dem Solinus, 
und bei Aelian sich finden, gekannt und zu Moralitates und als Glaubens- 
stärkung benutzt habe: warum Endet sich so ganz und gar nichts aus 
dieser phantastischen Naturgeschichte in den Katakomben? Warum hat 
die Arcandisciplin nicht auf diese Thiere hingewiesen? Warum ist sie 
beim mystischen Fische stehen geblieben, beim Larnme, bei den die 
keusche Susanna bedrohenden zweiWölfen? 
Ich glaube, dass die christliche Kirche, welche in den ersten Zeiten 
eben nur unter dem Schutzmantel des vom Staate geduldeten Judenthums als 
Abzweigung einer alten Religion sich ihren rechtlichen Bestand sichern 
konnte, sich ebenso vor dem Hereintragen heidnischer Formen hüten 
musste, wie das Judenthum sich dagegen abschloss. Wenn die Christen 
aber auch, weil doch stark aus römischen und griechischen Elementen 
sich zusammenlindend, nicht so von der bildenden Kunst abgekehrt waren 
wie die Juden, so wollten sie in den aus dem natürlichen künstlerischen 
Drange sich entwickelnden Thätigkeiten des Malers in den Katakomben 
oder deren Vorräumen eben nur die einfachsten Wahrheiten geschicht- 
licher oder dogmatischer Natur in einfacher, für den Wissenden klar ver- 
ständlicher Weise dargestellt wissen, oder die Vorräume einfach so deco- 
riren, wie man damals solche (die Mythologie zur Zier verfllichtigende) 
Zimmer- und Saaldecorationen machte, so dass die Puttis oder Hippocampen 
oder Krüge u. s. w. weder zum Heidenthum, noch zum Judenthum, noch 
zum Christenthum in Bezug gebracht wur_den und auch von uns, den spät- 
geborenen Besuchern dieser Räume, nicht sollen in_Bezug gebracht werden. 
Höchstens, dass man es versuchte, denJonas durch ein Seeungeheuer, 
wie man dasselbe damals auch in den Zimmerdecorationen malte, ver- 
schlingen zu lassen und dass man eine Verbindung zwischen den zwei 
Reihen der Darstellungen herstellte. Ich möchte hinzufügen, dass die be- 
ständige Besorgniss vor dem Einschleichen einer falschen Gnosis in die 
reine Lehre den von Alexandrien kommenden allegorischen Deutungen 
der Natur den Eingang in die religiöse Kunst wehrte. Gerade die ziemlich
	        
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