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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1893 / 12)

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täuscht. Darauf folgen mehr gegen die Thür zu zwei verschlungene 
Drachen, die sich jeder in seinen eigenen Flügel beißen. Ich kann mich 
wohl nicht auf den Physiologus berufen, aber ich möchte, ähnlich wie 
Cahier, hierin die Wuth des Kampfes erkennen,'den Zorn, der blind 
wüthet. Ob die neben diesen Drachen liegende oder sitzende Gestalt einen 
Geistlichen darstelle, wie Dr. P. Müller will, getreue ich mich nicht zu 
behaupten; ich glaube ein Bild der Trägheit zu erkennen. Fehlte nur 
nicht die eine Hand an der nächsten, wie hinschleichenden Figur! So 
kann man jetzt viel herausbringen, was man in sie hineinlegt. Nehmen 
wir an, die Gestalt habe einen Geldbeutel oder sonst einen Sack getragen 
so könnte sie den Geiz oder Diebstahl bedeuten. Darauf folgt eine kleine 
Gruppe: ein Weib mit Gugel, welches Dr. P. Müller für eine Nonne 
hält, hat einen mit langem Gewande bekleideten Mann beim Fuß gepackt, 
der nun eigentlich zum Falle kommen sollte. Er dafür fasst die Spitze 
ihrer Gugel und dürfte in der Linken einen Gegenstand (Waffe, Beil, 
Stock) erhoben haben, sie zu tödten. Dem Weibe kehrt sich ein Löwe zu, 
wohl der Teufel, dem sie in den Rachen läuft. Ich finde keinen Grund, 
das Weib als Nonne, den Mann als Geistlichen auszudeuten, da ja die 
weltliche Tracht für die Erklärung völlig ausreicht, und die Deutung auf 
einen in Todschlag endenden ehelichen Hader ganz nahe liegt. Dann 
folgt eine Gruppe: ein Bär hat einen Mann beim Kopfe gepackt, der auf 
dem Boden liegt"). Hier kann der Bär nur den Teufel vorstellen, wie 
er denn in der Handschrift der Moralia des heil. Gregorius zu Herzogen- 
burg geradezu als Bär dargestellt ist, mit einer Reminiscenz an seine 
ehemalige Königswürde, die er an Nobel, den Löwen, verloren hat. Die 
nachfolgende Gruppe im Architrav hat einen ganz anderen Größenmaß- 
stab und gehört nicht zu den anderen Gruppen. lch habe hiemit wieder 
einmal - nach Melly und Dr. P. Müller - versucht, die Gruppen zu 
erklären, allein ich wage nicht, sie aus einem anderen einheitlichen Ge- 
danken heraus zu erklären, als dem: wLasset die Sünde, alle bösen Ge- 
danken heraußen, legt sie ab, tretet rein vor Gottes Thron hin, wenn 
ihr zu beten kommtß. 
Nun freilich sind wenig eigentliche phantastische Thiere an diesem 
ziemlich späten Architrav: die verschlungenen Vipern und Drachen, die 
Sirene, der Teufel mit Bocksleib und gehörntem Menschenkopf. Aber 
schon spielt, wenn es wahr sein sollte, dass hier Geistliche und Nonnen 
vorkommen sollen, die Satyre mit herein. Doch will ich dies hier nur 
nebenbei erwähnen. Ungleich schwieriger als das Wiener St. Stefans- 
Portale sind die Darstellungen der Schottenkirche zu Regensburg zu er- 
klären; ähnlich muss denn auch die Schottenkirche in Wien geschmückt 
") Buchofen, J. 1., Der Blr in den Religionen des Alterthums. Mit a Kupferufeln. 
Base! 1863. - Menzel, Christi. Symbolik, s. v. Bär (wo die Herzogeuhurger Hand- 
schrifr erwlhnt ist). - Pipcr, Mythologie, I, 401. - Hcider, Schougnbern, S. x86 fg.
	        
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