hatte? Oder von dem schönen Blumenkelch? Oder von der Nonne. die
in den Leib eines Hahns gebannt war? Oder von den schlimmen Kloster-
brüdern? Oder von der Juden Bart? Oder von der wappenstolzen Frau,
die, als sie sich im Spiegel besah, den Kopf einer Gans hatte? Oder von
dem Hündchen im Muschelhaus und der Ente im Schneckenhaus? Oder
von der Traube, die kein Laub haben wollte? Und immer wieder kommr
Neues an die Reihe, vielleicht auch eine fabula de. re, eine Geschichte
von dir und mir. . . w
Mehr der kirchlichen Darstellung angemessen als die Satyre, ist der
Humor, der unter Thränen lächelnde ernste Humor, der oft recht bittere
Wahrheiten in heiterer Form gibt, der mitten im Spotte es ganz ernst
meint, der mit dem Ernsten zu spielen scheint. Der ganze Humor des
Volkes wurde in den sogenannten Todtentänzen, danses macabres, nieder-
gelegt. Wir konnten einen modernen Todtentanz, von Dworschak grau in
grau gemalt, im Kunstverein sehen, wie der Tod, den einzelnen Menschen-
lagen sich anpassend, überall lauert. Doch ist das schon weit von der
alten Idee des Todtentanzes entfernt; wie schon der vielleicht jüngste
Todtentanz in der St. Michaels-Kapelle auf dem alten Friedhof zu Frei-
burg i. Br. (herausgegeben vom Breisgau-Verein i-Schau-ins-Landv, 1891)
vom Jahre 1757 von der alten Idee des i-Tanzesu sich weit entfernt hat.
Hier erscheint der Tod als Begleiter des Menschen in allen Lebens-
lagen; in alten Zeiten aber erscheint er als Aufforderer zum Tanze, der
unerwartet und oft nicht ohne Gewalt den Menschen abruft. Allen naht
er gleich, denn das Mittelalter betonte vor allem die Gleichheit aller
Menschen vor dem Tode. Der aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts
stammende Todtentanz von Metnitz stellt, wie fast alle, an die Spitze
den Papst, den der Tod begleitet, der zwei Trommeln angehängt hat;
ihm folgt der Kaiser, den der Tod bei der Hand hält, dann die Kaiserin
u. s. w. bis zum Bettler und dem kleinen Kinde. Hier erscheint der Tod
noch eigentlich nicht als Skelett, sondern nur der Kopf macerirt, während
in Italien schon im I4. Jahrhundert das Skelett dargestellt wird. Es
dürfte sicher stehen, dass die Todtentänze, danses macrabes, von Frank-
reich aus den Weg nach Deutschland, Italien angetreten haben. Uebrigens
ist makabre ein arabisches Wort; im Arabischen ist makäbir der Plural
von rnakbar, das Grab. Es liegt dem Todtentanze die Sage vom Tanz der
Gerippe zuGrunde, die im Gebeinhause des Gotlesackers wirr durcheinander
liegen. Wie eiust im Leben führen sie Reigentänze auf, sie gesellen sich
den Lebenden zu und mahnen sie an die Zukunft. Bezeichnend ist, dass
berühmte Todtentänze, der von Basel und der von Straßburg, in Domini-
kanerklöstern sich finden und dass der von Basel ein Einleitungsbild von
der Predigt hat, wie der von Metnitz. Man zählt im Ganzen 43 Städte, in
denen Todtentänze in Kirchen, Friedhofskapellen u. ähnl. sich Enden.
Schließlich finden sie sich auch in Gebetbüchern, ja selbst in Initialen.
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