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können. Wer doch in einer der Entstehung der Schedula offenbar sehr
naheliegenden Zeit noch viel Schlimmeres möglich').
Angesichts des gewaltigen Apparates technischer Hilfsmittel, über
welchen die Gegenwart verfügt, steht man der Kunde von den überaus
einfachen Werkweisen vergangener Epochen verständnisslos, oft auch
skeptisch gegenüber. Die Pietät, welche bei den Kunstübungen der
Klosterwerkstätte keine Mühe zu groß erscheinen ließ, wurde nur das
Werk so vollkommen als möglich, wird heute nicht mehr begriffen.
Selten spricht das Gemüth noch mit, wenn es sich um die Schaffung
eines künstlerisch auszustattenden Objectes handelt; selbstverständlich
immer seltener, je mehr Hände in Folge des Principes der Arbeitstheilung
die in wesenlose Partikel zerlegte Aufgabe zur Lösung zu bringen haben.
Unsere Zeit ist arm geworden an Eifer, nachdem nur selten ein ideales,
des Strebens werthes Ziel dem Thätigen winkt.
Unter so bewandten Verhältnissen mag es angezeigt, sicher aber
entschuldbar sein, wenn von Zeit zu Zeit der Versuch gemacht wird,
die Erinnerung an eine herrliche, von Begeisterung geleitete Kunstepoche
wieder aufzufrischen, in welche uns die Schedula Einblick gewährt, wenn
anders wir das Auge nur nicht geflissentlich abwenden wollen. Ein
solcher Versuch erscheint wohl um so gerechtfertigter, als die Schedula
oft falsch, oft auch gar nicht verstanden wurde, trotz der Klärungen,
welche wir hier der Kunstwissenschaft seit Lessing zu verdanken haben.
Ein besonderes Gebiet, näherer Durchforschung und Bearbeitung
wohl werth, zeigt sich uns in der Bestimmung der Stileigenthümlich-
keiten, der Gestaltungsprincipien jener Arbeiten, zu deren Vornahme uns
Theophilus so gewissenhafte Anleitung gibt. Eine möglichst bestimmte
Feststellung der typischen Erscheinung des uns von Theophilus Gezeigten
ist gewiss eben so wichtig als die genaue Kenntniss der technichen Behelfe,
welche übrigens, als mit den artistischen Forderungen in unzertrennlichen
Contact stehend, auch bei den scheinbar nur aesthetisch wichtigen Be-
trachtungen nicht außer Acht gelassen werden können. Eines ergänzt
hier das Andere.
Von dem eben angedeuteten Standpunkte aus soll zunächst auf
einiges hauptsächlich mit der Goldschmiedekunst Zusammenhängende
hingewiesen werden. Auch dieses aus der Fülle des Vorhandenen Heraus-
gehobene kann hier nur] in Kürze berührt und mehrere auf dasselbe
bezughabende wichtig scheinende Thatsachen angedeutet werden. Einzeln-
heiten hiebei eingehender hervorzuheben, sobald dies zum besseren Ver-
ständniss zweckdienlich erscheinen mag, wird um so eher gelingen, als
') Vergl. llg's Anmerkung und Citat zu Cnp. XV der Ausgabe der Schedula in
Bd. Vll der uQuellenschriften des k. lt, Oesterr. Museums: über eine Glosse des Codex
(Nr. 1517) der Wiener Hofbihliothek: IHoc etinm in loco.... vacuum, duodecim circiter
linearum, in quo ex deteriori et suhitarin mnnu legitur: ars arten-i delusit et qui
hac artes sequitur trufator esse perhibetun-