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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 9)

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uns Theophilus seine Arbeiten mit einer Anschaulichkeit verführt, welche 
auch durch Anwendung bildlicher Hilfsmittel nicht besser zu erreichen 
gewesen wäre. Mit photographischer Treue fast baut sich vor unserem 
geistigen Auge eine Gruppe von Kunsterzeugnissen in seiner Werkstätte 
auf, welche bezüglich der technischen Ausführung und der Stileigen- 
thümlichkeiten keinen Zweifel übrig lassen. 
Wir betreten den langen Gebäudetract, den Theophilus für sich 
und seine Gehilfen als Goldschmiedewerkstätte ins Auge fasst. Durch die 
in einer Reihe angebrachten, nach unseren Begriffen kleinen Fenster 
(ihre Dimensionen, 2 Fuß Breite zu 3 FuB Höhe, entsprechen ungefähr 
denjenigen der Fenster in kleineren Bauernhäusern Oesterreichs) scheint 
die Mittagsonne, gedämpft durch den keineswegs klaren Fensterverschluss. 
Wir würden bei solchen Fenstern nicht im Stande sein zu arbeiten, 
denn sie befinden sich fast auf dem Boden. Hier aber ist dies kein 
Hinderniss. Der Goldschmied sitzt auf dem Estrich, mit den FüBen in 
einer rechteckigen, entsprechend tiefen Grube, über welcher der sauber 
geglättete Tisch angebracht ist. KVir sehen an den breiten Fensterpfeilern 
die Feuerherde mit ihren bockledernen Blasebälgen, ie einer zu dem 
rechts daneben befindlichen Arbeitstische gehörig; an passenden Orten 
ferner die mannigfaltigen Werkzeuge, Hämmer, Feilen, Zangen u. s. w., 
von welchen wir so wie über die Art ihrer Erzeugung tretTlich unter- 
richtet sind. 
Doch wir wollen unsere Aufmerksamkeit nicht diesen Dingen, 
sondern vor Allem dem fertigen Geräthe aus Edelmetall schenken. 
Wir sehen hier Kelche, aus Silber und Gold von einfacher und auch 
reicher Art. Sie geben Zeugniss, wie treu an der hergebrachten Form 
seit Jahrhunderten festgehalten wurde. Anordnung und Form der ein- 
zelnen Theile, der Cuppa und des Fußes mit dem dazwischenliegenden 
Knaufe rufen den ehrwürdigen Thassilokelch des Stiftes Kremsmünster 
in Erinnerung. Theophilus' Silberkelch ist einfach geschlagen, glatt und 
blank polirt; die einzige schmückende Zuthat besteht aus zwei Astragalen, 
ober- und unterhalb des Knaufes angebracht. Der Thassilokelch hat nur 
einen dieser gekugelten Reifen, den oberen, zwischen Nodus und Cuppa 
und dieses Zwischenglied ist bei beiden Objecten als ein gesonderter 
Theil hergestellt. Der untere Astragal ist bei Theophilus' Kelch getrieben 
und mit dem Fuße und dem Knauf aus einem Stück hergestellt; beim 
Thassilokelch fehlt er gänzlich. Bei letzterem ist der Reif drehbar oder 
durch allmälige Lockerung drehbar geworden; auch bei dem Silberkelche 
des Theophilus ist er ohne feste Verbindung, nur zwischen Cuppa und 
Nodus gelegt. An dem Kelche ist nichts gelöthet. ln höchst ein- 
facher Weise sind'die Stücke, aus denen er besteht, durch ein paar 
Hammerschläge mit einander verbunden. Zu dem Ende hat die Cuppa 
unten einen Zapfen von der Form eines vierseitigen Prismas, bis zur 
Hälfte kreuzweise gespalten, die Wölbung des Knaufes aber ein dem 
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