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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 9)

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den angepriesenen Universalmitteln und nach der vbesten Techniku wie 
nach einer allgemein giltigen Curmethode, durch welche jede individuali- 
sirende Krankenbehandlung überflüssig wird. Es liegt etwas Beschämendes 
in der Thatsache, dass solche, nur auf Aeußerlichkeiten sich stützende 
Kunstbestrehungen auch heute noch ihre Freunde und Anhänger finden. 
Neben diesem Streben nach materieller Vervollkommnung, welches 
im besten Falle zu einer virtuosenhaften Manierirtheit führen kann, 
nehmen wir die Bemühungen jener wahr, die, der sclavisch-imitato- 
rischen Arbeit müde, "schnurstracks an die Natura sich wenden. Schon 
allein im Anschlusse an die ldeen, welche im vorigen Jahrhundert 
der große Genfer Philosoph über die ganze civilisirte Welt verbreitete, 
wäre es wohl unvermeidlich gewesen, dass nicht auch die bildende Kunst 
das Schlagwort von der wRückkehr zur Natur-l früher oder später auf- 
gegriiTen hätte. Aber von dem Unternehmen der Künstler, sich der Natur 
ohne Vorbehalt in die Arme zu werfen, haben wir ebenso wenig das 
erhoffte positive Resultat zu verzeichnen gehabt, als es ie einen Emil 
oder eine Sophie, nach Rousseau'schen Grundsätzen erzogen, gegeben hat. 
Zumal mit der Rückkehr zur Einfachheit der Natur hatte es auf 
dem Gebiete der zeichnenden Kunst seine guten Wege. Die Natur ist 
eben nicht einfach, so wie sie auch nicht friedlich ist. Erquickliches für 
die Kunst aus ihr zu schöpfen, bedarf es mehr als eines Trunkes aus 
hohler Hand. Um ihrem Wesen näher zu kommen, ist unausgesetzte, 
eifrige Gedankenarbeit von nöthen; und zu diesem Zwecke sich dieser 
zu unterwerfen, hatten Wenige Lust. 
Immerhin aber befreiten die ldeen von der Anhängerschaft an die 
Natur die Schalfenden von einer großen Menge Ballast und entledigten 
sie zum Theile wenigstens der bleiernen Sohlen, durch die sie auf 
dem Boden hergebrachter, rein mechanisch-handwerklicher Thätigkeit 
festgehalten wurden. Dass die ideal-naturalistische Anschauung, wie sie 
wohl am besten zu bezeichnen wäre, nicht auf gutem Fuß mit den aus 
entschwundenen Perioden stammenden Schöpfungen der decorativen Kunst 
stand, ist einleuchtend. Was ihrem Wesen am meisten frommen konnte, 
war republikanische Nüchternheit. 
Die Strömungen eines Naturalismus, der im unmittelbaren An- 
schauen und Genießen, der in der unmittelbaren Wiedergabe des nach- 
empfundenenen Geschauten sowohl die Quelle seiner Kraft als auch sein 
Ziel erblickt, haben bis auf die Gegenwart in periodischen Wiederholungen 
ihre Wirkung geäußert. Bezeichnend erscheint hiebei, dass auch die 
Aeußerungen der Kunstthätigkeit, welche mit der Architektur, als der 
am sprödesten dem Naturalismus gegenüberstehenden Kunstform, die 
vielverzweigten Hervorbringungen der schönen Gewerbe (wie wir anstatt 
Kunstgewerbe wohl auch zu sagen berechtigt sind) immer wieder auf's 
Neue von dieser Seite her zu reformiren versucht werden. Auch hier 
hören wir das Schlagwort von der wRückkehr zur Natura, obwohl nie-
	        
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