610
tenden Summe von Wissen über lkonographie und Symbolik, über He-
raldik u. s. w. vertraut sein müssen und die entsprechende Terminologie,
die fachliche Ausdrucksweise zu beherrschen haben.
Um aber im Verkehr mit den Gewerbetreibenden seine Erklärungen
und Anordnungen - und es kann nicht ausbleiben, dass er diese zu
geben gezwungen ist - in kurzer und verständlicher Weise vorbringen
zu können, muss er auch die rein technischen, handwerklichen Bezeichv
nungen wissen, welche zur unerlässlichen Erleichterung des mündlichen
und schriftlichen Verkehrs im Gewerbeleben sich ausgebildet und gefestigt
haben, d. h. er muss auch die kunstgewerbliche Terminologie sich zu
eigen gemacht haben. Im entgegengesetzten Falle ergibt sich der unsäglich
trostlose Zustand, dass sich beide Parteien, der Zeichner und der aus-
führende Arbeiter, trotz aller Mühe nicht verständigen können, und dass
in Folge dessen MissgriiTe und Irrthümer aller Art das angestrebte Re-
sultat geradezu unerreichbar erscheinen lassen.
Eine Forderung an den Zeichner, welche sowohl von Fachleuten,
als auch von Laien täglich gestellt wird, wobei Erstere an das positive
Wissen, Letztere an das vGefühln und den uGeschmack-i des Künstlers
appelliren, bezieht sich auf das Stilgcmäße der Arbeit. Ich brauche bei
Berührung dieses Punktes nicht länger zu verweilen, da die Stilfrage, als
eine brennende, tagtäglich auf's Neue aufgerollt und nach allen Richtungen
herathen, ohnehin schon zu einer allgemein bekannten Angelegenheit
geworden ist. Es wäre ein fruchtloses Unterfangen, hier den vielfältig
verschiedenen Anschauungen gegenüber ihr Wahres und Falsches an-
deuten zu wollen, um sodann mit Hinweis auf das beweisbar und un-
zweifelhaft Giltige, alles das zusammenzufassen, was den Zeichner in
Stand setzt, nicht etwa die Aeußerlichkeiten gewisser Kunstproductc der
einzelnen Stilperioden nachzuäffen, sondern seine Hervorbringungen
so zu schaffen, dass sie an sich, ohne Rücksicht auf ein bestimmtes
Original, als stilvoll bezeichnet werden können. Weitaus gerechtfertigter
wird es sein, hier kurz anzudeuten, was von dem Zeichner heutzutage
in Bezug auf den Stil verlangt wird. Ob mit Berechtigung oder nicht,
mag dabei gänzlich dahingestellt bleiben.
Man verlangt von ihm, sich mit der gleichen Geläufigkeit der
Formensprache aller Ausdrucksweisen der verschiedenen Zeiten und
Länder zu bedienen. Man verlangt von ihm nicht etwa blos, dass er
im Besitze der geistigen und praktischen Errungenschaften aller Kunst-
epochen sei, sondern auch, dass er sich ihrer bei Gelegenheit wieder
mehr oder weniger entäuBere. Er soll zu jeder Zeit in jedem beliebigen
Grade unerfahren und unpraktisch sein können, um nicht nur allein mit
Bewusstsein Vollkommenes hervorzubringen, sondern auch von Fall
zu Fall, mit der nöthigen Naivetät ausgestattet, Unvollkommenes zu
schaffen, wie es eben in den Verhältnissen irgend einer gerade beliebten
Stilperiode gelegen sein mag. Die Kunst soll, wenn Liebhaberei es er-