Weitere ästhetische. Prinzipien primitivster Art beruhen auf
Glanz, Farbe und Contrast. Der Contrast zwischen der Hautfarbe
und der Farbe des Schmuckes wird allgemein schon von Naturvölkern
mit Absicht und voller Kenntniss der Wirkung herbeigeführt. Neger-
stämme lieben weißen Schmuck, die dunkelbraunen Australier geben
ebenfalls hellglänzendem Schmuck wie schimmernden Muscheln und
weißen Zähnen den Vorzug, die gelben Buschmänner neigen haupt-
sächlich zu dunklen Farben u. s. w. Der Einfluss der Farbe auf die
Stimmung ist primitiven Völkern nicht unbekannt. Allgemein beliebt ist
das Roth, die Farbe freudiger Erregung. Dem Roth zunächst kommt
Gelb. Den kalten Farben, wie Blau und Grün, begegnet man dagegen
seltener. Ganz besonders aber ist es der Glanz, der im Schmuck bereits
von allem Anfang an hocbgeschätzt wird. Die Empfänglichkeit des Auges
für die aufreizende und belebende Kraft des Glanzes, mit der Lichtfreude
aller schauenden Wesen nahe verwandt, gehört ohne Zweifel zu jener
ästhetischen Mitgift, womit die Natur den Menschen bereits bei seiner
Geburt beschenkt, da sogar höher entwickelte Thiere schon eine lebhafte
Empfindung hiefür besitzen. Rhythmus, Symmetrie, Contrast, Farbe und
Glanz vereinigen sich also im Schmuck bereits auf den frühesten Vor-
stufen der Cultur zu gemeinsamer ästhetischer Wirkung, und diese
primitiven Kunstmittel sind heute noch seine wesentlichsten und wich-
tigsten. Aus dem Dunkel fernster vorgeschichtlicher Epochen stammen
also die künstlerischen Grundprincipien der Schmuckbildung.
So wichtig indess diese Elemente sind, sind es doch keineswegs die
einzigen, die der Schmuck bei seinem Eintritt in die Geschichte bereits
besitzt. ln der langen Reihe umwälzender Ereignisse, die sich im Laufe
der Entwicklung eines Volkes vom primitiven Na turzustande zur gesitteten
Culturnation einstellen, geht kaum eines spurlos am Schmuck vorüber.
Bereits die nächsten Schritte in der Cultur, die Uebergänge von der
Jagd zur Viehzucht und von der Viehzucht zum Ackerbau bringen natur-
gemäß eine Fülle neuer Erscheinungen mit sich. Es bestehen gewaltige
Unterschiede im Schmuck der sogenannten Naturvölker, je nachdem sie
einem älteren oder jüngeren Wirthschafts-System angehören. Ein Gang
durch unsere ethnographischen Museen belehrt uns darüber in ausführ-
lichster Weise. Die vielfach verstreuten und noch nicht nach solchen
Gesichtspunkten geordneten Thatsachen in richtigen Zusammenhang zu
bringen, bildet eine der Zukunfts-Aufgaben der Ethnologen. Nach dieser
Richtung liegt überhaupt noch viel ungethane Arbeit vor, aber der
muthige Anfang ist bereits gemacht, und zwar in einer vor Jahresfrist
erschienenen, sehr beachtenswerthen Arbeit von Ernst Grosse. Grosse
hat in seinem Buche nDie Anfänge der Kunst-x mit Nachdruck darauf hin-
gewiesen, dass der gesammte Kunstbestand vor Beginn jeglichen historischen
Lebens ein viel reicherer gewesen sein muss als man gemeiniglich anzu-
nehmen geneigt ist. YVenn sich dies aber so verhält, sagt er mit Recht.
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