Halsschmuck. Die durch ihre Lippen- und Ohrenpflöcke berühmten
Botokuden lieben es, sich nebstbei mit feuerigem Gelbroth und tiefem '
Blauschwarz zu bemalen und um Kopf und Hals Schnüre mit schwarzen
Beeren und weißen Affenzähnen zu tragen. Ebenso findet man bei den
Buschmännern alle drei Schmückungsarten vertreten. Wollte man die
Beobachtung weiter ausdehnen und nebst dem Schmucke der primitiven
Jägervölker auch den der fortgeschritteneren Viehzüchter und Ackerbauer
in Betracht ziehen, so würde dies die Thatsache, dass alle drei Kate-
gorien des Schmuckes gleichzeitig Anwendung finden, noch in viel auf-
dringlicherer Weise darthun. Damit wäre allerdings noch lange nicht
bewiesen, dass sie auch gleichzeitig entstanden sind. Dagegen hätten wir
hierin ein weiteres Zeugniss für die auch bei Culturvölkern so vielfach
auftretende Erscheinung, dass einmal eingewurzelte Schmuckarten ein un-
gemein zähes, fast unausrottbares Dasein führen. - Es ist uns aber nicht
daran gelegen, die Entwicklung der zwei erstgenannten Schmuckkategorien
weiter zu verfolgen, da sie ihre Bedeutung unter Culturvölkern in histo-
rischer Zeit wesentlich einbüBen, wenngleich sie höchst bezeichnender
Weise selbst in unserem civilisirten Europa bis heute nicht vollkommen
verschwunden sind.
Wichtig ist es dagegen, an dem Schmucke der dritten Gruppe zu
constatiren, welche Arten sich unter primitiven Völkern auszubilden
pflegen, und welche künstlerischen Principien darin zum Ausdrucke
gelangen.
Wir haben gesehen, wie maßgebend bei Erfindung das Schmuckes
.das Verhältniss der kuustschöpferischen Phantasie zum Körper ist, der
geschmückt werden soll, und haben gefunden, dass ein Gleichmaß ästhe-
tischer Erwägungen zwischen Körper und Schmuck zu den in künstleri-
scher Hinsicht befriedigendsten Ergebnissen führt. Ueberschauen wir noch
einmal alle drei Schmuckkategorien, so sehen wir, dass im Allgemeinen die
Rücksicht auf den Körper und seinen Bau dabei eine sehr geringe Rolle
spielt. Es gibt fast keinen Körpertheil, der nicht geschmückt wird. Weder
Verengerungen noch Erweiterungen an der menschlichen Gestalt, weder
die natürliche Tragfähigkeit des Körpers, noch Form und Verlauf der
Muskeln sind entscheidend für die Art und Vertheilung des Schmuckes,
selbst das scheinbar Unmögliche wird unter unsäglichen Schmerzen und
Qualen möglich gemacht. Der Körper wird nicht als bedeutsam geglie-
derter Bau angesehen, sondern als unregelmäßige Fläche, die dem
Schmucke überall Gelegenheit bietet, sich auszubreiten. Dieser ursprüng-
liche Mangel an Rücksicht auf die Form der menschlichen Erscheinung
verwandelt sich beim Verlassen der beiden ersten Schmuckkategorien in
entsprechende Berücksichtigung der Körperformen. Während früher
fast kein Körpertheil principiell ungeschmückt blieb, erhalten nun nur
jene Körpertheile ihren eigenartigen Schmuck, die sich ihm gegenüber
tragfähig erweisen. An Stelle regelloser Willkür tritt gesetzmäßige