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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 9)

Casse bezahlte. Seine Probe, welche zwei Jahre dauerte, gelang vollkommen. Der Kaiser 
war mit dem ganzen Unternehmen zufrieden, namentlich auch mit den Grundsätzen, 
nach welchen die Schule in's Leben gerufen werden sollte. Dieselben lauteten: l. Man 
solle dem Boullement nicht mehr Geld an die Hand geben, als was er zum Unterhalt 
seiner Familie unentbehrlich nothwendig hat. z. Was man für die öffentliche Schule 
widmet, das ist, was für den Verlag, Zimmerzins und nöihiges Personale zu zahlen sein 
wird, ware nicht dem Boullemcnt, sondern einem Dritten einzuhandigen, welcher die 
vorbesagten Ausgaben bestreiten und den wirthschaftliehen Fortgang der Schule beständig 
überwachen solle. 3. Dieser Controlor hatte auch Sorge zu tragen, dass nur die arme 
Jugend die Wohlihat des Unterrichtes genieße. Bis zum Jahre t734 bestand diese Schule 
nur versuchsweise; erst am 5. Mai jenea Jahres konnte Boullement in der AlserstraB- 
Fabrik, in der Nahe des WeiBspanier-Klosters, eine ständige Schule einrichten und in 
dieselbe 6c Mädchen aufnehmen. Außer seinem Gehalte wurden ihm jährlich für jedes 
Kind i5 ü. Lehrlohn bezahlt. Aber schon am t5. Juni 1735 vermehrte sich die Schule 
um zo neue Zoglinge, wobei dann der Lehrbetrag auf ro i]. herabgesetzt wurde. Mit 
Anfang des Jahres r736 wurde Boullement ein fester Gehalt von jährlich 500 B. ausgesetzt 
und für die Schule auf Grund eines Gutachtens des Rathes Heller von Doblhof eine neue 
Grundlage geschaffen. Die Zahl der Zöglinge wurde auf 50 festgesetzt; dabei hatte 
Boullement für die BeschaGung des nothigen Hausgerathes zu sorgen. Der Andrang in 
die Schule war jedoch so groß, dass die Zahl der Lehrmadchen gleich im Anfange 6c 
betrug, und diese wuchs dann bis auf 166. Dein Lehrer gehörte außer dem Unterrichts- 
lohn noch der Erlös für die verfertigte Waare, wozu seit dem Jahre i733 auch das Vor- 
recht kam, dass er das Garn aus dem Auslande zollfrei beziehen durfte, welches Privi- 
legium man jahrlicli auf tzo ü. veranschlagen konnte. 
Das ganze Unternehmen war vom Glocke begünstigt, und die Zahl der Zöglinge 
wuchs derart an, dass Boullement schon am 4. Juni 1739 eine neue Lehrstube in dem 
Burgerspitale erolTnen konnte, in welche gleich 40 Mädchen Aufnahme fanden. Für diese 
Schule berief er einen Vorarbeiter aus Belgien. welchem er jahrlich 150 H. an Lohn be- 
zahlte, und stellte auch noch einen Unterlehrer an, welcher mit 50 G. jährlich entlohnt 
wurde. Noch in demselben Jahre, am z. September, rief er auch in der italienischen Vor- 
stadt naehst der Favorita eine neue Spitzensehule in's Leben, die gleich Anfangs an 
65 Lehrlinge zahlte, welche Zahl bald auf 88 und spater auf 140 stieg. Auch für diese 
bestellte er eine Vorarbeiterin, und ihr zur Seite stellte er eines der schon geschulten 
Lehrmadclien. Damit war sein Unternehmungsgeist noch nicht erschöpft. Am 6. Oct. 1739 
gründete er ein neues Arbeitslocal. Dieses befand sich auf der Landstraße in dem St. Nepo- 
mucenus-Spitale. Hier wurden 40 Zöglinge beschäftigt und zwei Vorarbeiterinnen mit dem 
Gehalte von i6o H. und zwei mit i35 il. angestellt. Bald befanden sich hier ioo Madchen 
in der Lehre. Leider gedieh diese Anstalt nicht, weil Boullement nicht in der Lage war, 
die Arbeiten zu überwachen. So sah er sich kurz darauf veranlasst, diese Schule in das 
Waisenhaus vor dem Schottenthnre zu verlegen. Im Ganzen betrug die Zahl der in den 
neugegrundeien Anstalten befindlichen Schüler an 375 Lebrmadchen. 
Trotz dieses augenschcinlichen Gedeihens seiner Unternehmungen befand sich Boulle- 
ment in einer derart misslichen Lage, dass er sich nicht lange nach dem Regierungaantritte 
der Kaiserin Maria 'l'heresia an diese mit einer Bittschrift wendete und um eine jahrliehe 
Unterstützung ansuchte. Zugleich legte er eine Berechnung des Aufwandes für die Schulen 
vor. Dieser Aufwand betrug jährlich 75l3 8., wobei die Auslagen für die Familie Boulle- 
ments und für den Ankauf des Materials nicht gezahlt wurden. Wahrscheinlich hat die 
politische Lage die Kaiserin gehindert, seinem Ansuchen ihre Aufmerksamkeit zu widmen. 
Es bildete sich aber ein Consortium von angesehenen Persönlichkeiten, von welchen jede 
tooo H. zu dem Unternehmen beisteuerte; unter diesen befand sich Graf Harrach, Baron 
Doblhof, Cardinal Kollonits und ein ungenannter reicher Eisenhitntller. Diese ermöglichten 
durch einige Zeit den Fortbestand der Spitzenfabriks-Schulen in Wien. - Von Boullement 
ist bekannt, dass er sich auch für einige Zeit in Prag niedergelassen, dort die Spitzen- 
kloppelei angefangen und so die in den Gebirgsgegenden Bohmens seit langer Zeit be- 
stehende lndustrie neu belebt hat. Ein zweiter Versuch, die Spitzenfabrication in Wien 
einzuführen, erfolgte nach der Räumung Belgiens; mehrere belgische Familien siedelten 
sich hier an und suchten in der Spitzenfabrication ihren Unterhalt zu ßnden. 
 
Für du: Redaclion verlnlworllich: J. Pblnnic: und F. Rillen 
Sellmurlng des k. k. Guten. Museum: für Kunst und lnduulrie. 
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