Ruhe und Feierlichkeit, die über das Ganze ausgebreitet ist, finden sich
Züge freiester Natürlichkeit und das Streben nach der Erfassung momen-
taner Situationen. Man wird den Sarkophag wohl mit größerem Rechte
in die Mitte als in die letzten Decennien des 5. Jahrhunderts setzen.
Ein Zeitraum von vielleicht hundert Jahren trennt den Satrapen-
Sarkophag von dem nächstfolgenden, dem Sarkophag der klagenden
Frauen (Fig. z). Bei ihm ist so durchsichtig wie sonst nirgends die
Tempelform durchgeführt. Er ruht auf einem beträchtlich hohen, oben
und unten proiilirten Sockel, der mit einem Fries in Flachrelief verziert
ist, in dem mehr als ioo Figürchen das beliebte Thema der Barbaren-
jagden mit behaglicher Breite ausspinnen. Darüber errichtete der
Künstler förmlich einen jonischen Säulentempel, indem er die Wände
durch vorgelegte canellirte Halbsäulen, in deren architektonischen Details
sich die Elemente des kleinasiatisch-ionischen und attisch-jonischen Stiles
vereinigen, je fünf an den Langseiten, zwei an den Schmalseiten, gliedert.
Durch diese Eintheilung ist der Charakter der Sarkophagwand als einer
Wand, einer eingerahmten Bildfläche, durchbrochen, sie wirkt jetzt als
etwas Körperliches mit verschiedenen Tiefen und demgemäß nützt sie
auch der Künstler aus, wobei er den angestrebten Eindruck noch durch
die nach Vorbildern in der wirklichen Architektur von Säule zu Säule
laufenden Schranken erhöht, die zugleich noch anderen künstlerischen
Rücksichten auf das Glücklichste dienen. Zwischen den Säulen stehen,
lehnen oder sitzen Frauengestalten, je eine in jedem Compartimente, alle
von dem Gefühle der Trauer um den Einen erfüllt, dessen dunklen
Grabesbau sie wie treue Wächterinnen umgeben. Wir kennen diese Ge-
stalten, sie sind uns vertraut von den attischen Grabreliefs des 4. Jahr-
hunderts, deren milde, stimmungsvolle Wehmuth uns so tief ergreift.
Was aber dort wie eine vereinzelte Stimme ertönt, wirkt hier durch die
mannigfaltig abgestuften Grade der Empfindung wie eine Symphonie
von Instrumenten verschiedener Klangfarbe zusammen. Nicht ganz auf
der Höhe der Composition steht die Ausführung. Es darf auch nicht
verschwiegen werden, dass der Anblick des Originelles durch den kleinen
Maßstab der Figuren - etwa halbe Lebensgröße - unsere Vorstellungen
von ihrer monumentalen Wirkung empfindlich enttäuscht. Was der Ar-
chitekt in unserem Künstler gefehlt hatte, indem er zu sehr mit der
großen Architektur concurrirte, konnte er als Plastiker auch dadurch
nicht wettmachen, dass er die Gestalten viel größer hielt, als es im Ver-
hältnisse zur Sänlenhöhe erlaubt war.
An dem weiteren Aufbau des Sarkophages fällt als etwas ganz
Singuläres die das Dach vollständig verdeckende und den Giebel über-
ragende Balustrade mit ihrer völlig ungegliederten Form in die Augen.
Auch dieser obere Theil ist mit Darstellungen in Flachrelief geschmückt.
Während im Giebel und auf seinen Abschrägungen trauernde Frauen