W392
Sevres und das moderne Porzellan.
Von Dr. F. Linke.
(Fortsetzung)
Weltberühmt sind die großen monumentalen Vasen bis zu 3 Meter
Höhe, die Sevres mit unübertroffener Sicherheit und Vollendung her-
zustellen versteht.
Es hat sich da ein eigenes Gussverfahren erfunden und zurechtgelegt.
Die gewöhnliche Methode des Gießens - ein Verfahren, welches
am bequemsten und exactesten Porzellan-Hohlgefäße herzustellen ermög-
licht- besteht bekanntlich darin, dass die dickbreiig verrührte Porzellan-
masse in eine aus Theilstücken zusammengefügte Gypshohlform eingegossen
wird, so viel die Form zu fassen vermag.
Die poröse Gypsmasse der Hohlform entzieht dem Massebrei Wasser,
es legt sich rund heru'm an den Wänden eine gleichmäßige, immer dicker
und fester werdende Masseschwarte an. lst dieselbe genügend stark ge-
worden - im Verlaufe von einigen Minuten - dann kippt man die
Form um und gießt den Hüssigen Inhalt aus; die an den Wänden hän-
gende Schicht trocknet immer weiter aus und wird endlich so fest, dass
man die Hohlform auseinander nehmen kann. Das Gefäß steht nun fertig
da, in den Umrissen genau und exact ausgeformt und bedarf nur noch
der Putz- und Vollendarbeiten auf der Drehscheibe.
Bei großen Gefäßen ist dies Verfahren aber nicht ausführbar. Zu-
nächst ist das Umkippen schwierig, dann würde beim Ausgießen des
überschüssigen Breies die. weiche Wandschwarte in so großen Dimen-
sionen sich auch nicht tragen, sondern vom Gyps luslösen und namentlich
an den überhängenden Stellen zusammensinken, das Gefäß also deformirt
werden. Dem zu begegnen, lässt man in Sevres den Massebrei durch ein
Rohr unten vom Boden aus in die Gypsform aufsteigen und wenn sich
eine genügend dicke Wandschwarte gebildet hat, wieder auf gleichem
Wege, ohne an der Form zu rütteln, abliießen; gleichzeitig mit dem Ab-
lassen des Breies wird in die oben geschlossene Form Luft eingepresst.
Dadurch wird die weiche Schwarte an die Formwand angedrückt und
vor dem Zusammensinken bewahrt, bis sie genügend fest ist, um sich
selbst tragen zu können.
Zu musterhaftem Geschick brachte es Sevres ferner - um noch
ein technisches Moment zu betonen - schon unter Brogniart in der
Herstellung großer ebener Platten für Porzellangemälde, die entschieden
schwierigste Aufgabe der Porzellankunst.
Schon unter Napoleon I. wurden, wie früher erwähnt, auf solchen
großen Platten Copien von Gemälden des Louvre in Schrnelzmalerei aus-
geführt. Zu dem Behufe und für solche höchsten Aufgaben der Porzellan-
malerei waren die Laboratorien von Sevres stets emsig bemüht, die
Palette der Schmelzfarben zur möglichsten Reichhaltigkeit und Farbkraft