Sinne wurde eine Aufnahmsjury berufen, welche einzig aus Künstlern,
Malern wie Bildhauern, gebildet war. Sie hat sehr strenge ihres Amtes
gewaltet; von viertausend eingesendeten Photographien sind nur sechs-
hundert zur Ausstellung angenommen worden, diese sechshundert aber
sind alle gut und interessant, jede für sich, Zeugen einer hohen photo-
graphischen Leistungsfähigkeit, und zugleich auch einer künstlerischen,
auf welche es ja abgesehen war.
Da zeigt sich nun eine auffallende neue Erscheinung. Bisher ging
die Photographie darauf aus, ihre Objecte, was immer sie waren, so
scharf, bestimmt, klar und deutlich wie nur möglich darzustellen, jedes
Detail erkenntlich auch im kleinsten Format. Das ist aber nicht künst-
lerisch. Es kann sein, dass auf diesem Wege auch malerische Stim-
mungen in der Natur, wenn sie in der Landschaft vorhanden sind, ge-
treffen werden, aber es ist nicht künstlerische Absicht. Die Kunst er-
fordert oft ein Verschweigen und Verschwinden des Details; die Kunst
will darstellen wie das menschliche Auge sieht: das Nahe deutlich, das
Ferne abgetönt, Schatten und Lichter "abgestuft oder in Contrast gesetzt,
die Wirkung der Luftperspective und was Alles sonst ein künstlerisches
Gemälde erfordert. Das nun ist es, was gleicherweise eine neue Schule
der Photographie anstrebt; sie will mit ihren Mitteln Bilder, Gemälde
in dem gleichen Sinne schaffen, freilich nur je mit der einen Farbe, die
ihr zu Gebote steht. Diese neue Schule der Bildphotographie ist in
England entstanden, und England hat auch eine ganze Reihe Repräsen-
tanten gesendet, eine Reihe von Namen mit je einer größeren Anzahl
ganz vorzüglicher Photographien.
Unter ihren Arbeiten stehen in erster Linie Landschaften der ver-
schiedensten Art und in den verschiedensten Stimmungen, sanfte, stille
Landschaften, paysages intimes, wie sie England eigen sind, Scenerien
im Morgenllchte, in dämmernder Abendbeleuchtung, im Mondenlicbte,
in Wetter und Sturm, in nächtlichem Dunkel, in Nebel, Reif und Schnee;
sodann Marinen, die offene See mit jagenden Wolken und den blitzenden
Lichtern auf den Wellen, die überstürzenden Wogen der Brandung, die
her-ankommende Flut und das Abgleiten der Ebbe. Alles das ist künst-
lerisch dargestellt, mit dem Gesammteindruck und der Haltung eines
Gemäldes, mit der Abdämpfung des Details. Und mehr noch. Nicht selten
gesellt sich dazu eine charakteristische bedeutungsvolle Stalfage: Arbeiter
auf dem Felde oder vor dem Hause, wandernde Schafherden, weidende
Kühe, Reiter und Fußgänger, die doch alle in Bewegung sind und darum
nur durch Momentaufnahmen in ihrer Natürlichkeit festgehalten werden
konnten.
Das gleiche, in der Landschaft vollkommen gelungene Ziel ist auch
in der figürlichen Darstellung, im Genrebild und im Porträt verfolgt
worden, wohl nicht ganz mit dem gleichen Glücke, denn die Jury scheint
nur Weniges zugelassen zu haben. Die Aufgabe war auch schwieriger,