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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 17)

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Donner sta g den 24. Jäuuer begann der Professor der Hendelsgeschichta an der 
hiesigen Handeleakademie, Dr. Adolf Beer, die angekündigten Vorträge über "Volks- 
wirthschaft der Gewerbe mit besonderer Berücksichtigung des Kunst- 
gewerhes". In der Einleitung berührte der Redner die grosee Bedeutung, welche in 
neuerer Zeit die Volkswirthschaft im Leben der Völker und Staaten gewonnen habe, wovon 
der bedeutende Aufschwung der Güterprodnction und die Unterordnung der äussern Politik 
unter die Forderungen des Nationalwohlstandes einen entschiedenen Beweis abgeben. Die 
Erkenntniss richtiger volkswirthschaftlicher Grundsätze müsse daher mit Recht als eine 
der groseen Errungenschaften der Neuzeit angesehen werden. Indem nun der Redner auf 
sein Thema übergeht, scheidet er die Erscheinungen der Aussenwelt in die zwei grossen 
Hauptgruppen der Naturpredukfe und der Erzeugnisse von Menschenhand, welch' letztere 
dem Bedürfnisse ihren Ursprung verdanken, die Natnrprodukte den Menschen dienstbar 
zu machen. Hieran schliesst sich die Erörterung des Güterbegrilfes und der Frage über 
die Bedürfnisse des Menschen. Nicht das Nothwendige allein sei Bedürfniss, sondern in 
Folge der gewonnenen höheren Culturstufe auch das Schöne, womit die Kunst in die Ge- 
werbe trete. An die Mittheilung alles dessen, was zur Deckung der Bedürfnisse des Men- 
schen in verschiedenen Beziehungen nothwendig sei, reibt Redner eine Uebersicht der 
Hauptzweige der Production in ihrer allmäligen Entwicklung, zunächst des Ackerbaues 
und dann der Gewerbe, deren möglicher Fortschritt als unbegrenzt bezeichnet werden müsse. 
Hieran schliesst sich die Definition des Begriifes des Capitales und jener Momente, welche 
zu dessen Bildung und zur Arbeitskraft der verschiedenen Völker am meisten beitragen, 
endlich eine Skizzirung der Geschichte der Arbeit im Alterthum, deren geringfügige Be- 
deutung durch die socialen Anschauungen der damaligen Zeit erklärt wurde. 
In dem zweiten Vortrage, Donnerstags den 31. Jänner, ging Redner auf 
die Besprechung des Handwerks sowie des Zunftwesens im Mittelalter über. Neben 
einer Classe von Knechten, welche sich der Bewirtbschaftung des Bodens widmeten, gab 
es eine andere, welche die unentbebrlichsten Handwerke betrieb und durch ihre gemein- 
same Arbeit eine Vereinigung oder Innnng bildete. Erst nach und nach erlangte das 
Handwerk neben dem Ackerbau eine selbstständige Stellung und verschaßte sich Aner- 
kennung, in welcher Beziehung die allmiilige Entwicklung des Stüdtewesens und der Ein- 
liuss der Kreuzzüge fördernd wirkte. Die Ausbildung des Zuuftwesens falle in das ll. 
bis 13. Jahrhundert. Unter den Ziinften habe sich das Baugewerbe am spätesten zu- 
sammengeschlossen, aber durch seine Knnstfertigkeit die Zunft vor allen andern zu Ehren 
gebracht. Mit der Blüthe der deutschen Städte stehen auch die Gewerbe auf ihrem Höhe- 
punkt. Aber erst nach einem mehrhundertjährigen Karnpfe erlangten die Züntte auch po- 
litische Gleichberechtigung. Das 14. und theilweise das I5. Jahrhundert füllen diese Glanz- 
periode des Handwerks aus. Doch schon durch den Untergang der Hansa und das Sinken 
des deutschen Handels starb der Lebensnerv des Gewerbewesens ab, womit der moralische 
und sittliche Verfall der Zünfte Hand in Hand ging. Dieselben traten endlich unter die 
polizeiliche Oberaufsicht des Staates, welcher durch die absolute laudesherrliehc Gewalt 
ihre selbstständige Autonomie in Kurzem beinahe gänzlich beseitigte. Mit einer Darstel- 
lung der gewerblichen Verhältnisse im 18. und 19. Jahrhundert und dem Hinweise, dass 
das Fesseln der Verhältnisse durch Satzungen sich nirgends verderblicher zeige, als im 
Reiche der Güterwelt, wie durch das aufkommende Maschinenwesen allmälig ein Gewerbe 
nach dem andern sich aus dem zünhigen Wesen herausarbeitete und das Zunftwesen durch 
eine Anzahl freier und concessionirter Gewerbe durchlöchert wurde, schloss dieser Vortrag. 
In seiner dritten Vorlesung, Donnerstag den 7. Februar, erliutertelledner 
den Untdrschied zwischen dem Handwerker, der auf Bestellung arbeitet, und dem Fabri- 
kanten, der seine Artikel im Hinblick auf künftigen Bedarf herstellen lässt, und setzte 
sodann in eingehender Weise den Einduss, den die Maschine auf das Handwerk genommen, 
auseinander. In klarer Weise vries er nach, welch' ungeheuren Aufschwung die gewerb- 
lichen Verhältnisse hierdurch erfahren, wie die Maschine in kürzester Zeit das zu leisten 
vermöge, was durch die Menschenhand nur langsam und mühevoll erzeugt werden könne, 
und zu welch' blühendem Zustande durch dieselben es die Gewerbe, besonders in England 
und Belgien, gebracht hätten. Welclf ungeheuren Einfluss hatte nicht die Weberei sowohl 
in Seide als in Wolle, auf die Spinnerei, die Papierfabrication, die Glasindustrie, ja sogar 
auf die Weissstickerei ausgeübt, die man sich früher nicht anders als durch Menschenhand 
hergestellt denken konnte. Die Sticker und Stickerinnen im Erzgebirge fangen nun nach 
dem Beispiel der Schweizer, von denen die Stickurt auch den Namen führt, mit Maschinen 
zu arbeiten an. Nur auf ganz wenige gewerbliche Gebiete, wie z. B. auf das Messer- 
schmiedhandwerk, habe die Maschine bisher keinen Einfluss geübt. Die oft vorkommende 
Annahme, als sei durch die Maschine die menschliche Hand entbehrlich geworden, müsse 
als ganz unrichtig bezeichnet werden, indem gerade in den Ländern, in welchen am mei- 
Fbrhetzung auf der Beilage.
	        
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