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namentlich die vielen auf Kunstsinn und Kunstfertigkeit basirten Gewerbe
zahlreichen Mädchen und Frauen lohnende Beschäftigung. Auf der Pa-
riser Ausstellung sah man zahlreiche Arbeiterinnen bei der Spinnerei,
Weberei, Nadlerei, Cartonnage und Schuhmacherei, Setzerei und Druckerei
thätig. Dass in Frankreich die Führung der Geschäftsbiichcr in den
kleineren Geschäften meist ausscbliesslich in Frauenhand liegt, ist be-
kannt. Frauen leiten die weltbeherrscbende Mode-Industrie Frankreichs.
Unter 12.000 Arbeitern, die in der Industrie der künstlichen Blumen
und Schmuckfedern in Paris tbätig sind, zählt man mindestens 10.000
Frauen und Mädchen, welche in diesem schönen Erwerbszweig den in-
teressantesten und lobnendsten Spielraum für ihre Talente, ihre Fertig-
keiten ünden. Gerade jetzt geht man damit um, für Blumenmacherinnen
Fachschulen zu errichten, wo vor Allem das Zeichnen und Malen, dann
Botanik etc. gelehrt werden. Für viele andere gewerbliche Facher be-
stehen übrigens schon seit Langem zahlreiche Zeichnensehulen. Neu
sind jedoch die eigentlichen Handelsschulen. Die erste ward (von Frau
Lemonnier) im Jahre 1862 gegründet, und es ist interessant zu be-
merken, dass diese Anstalt fast ganz die gleiche Einrichtung hat, die ganz
selbstständig und nur durch die Erfahrung geleitet, der Wiener Handels-
schule gegeben wurde. Sie besteht nämlich aus einem Vorbereitungecurs,
sodann der eigentlichen Handelsschule, die am meisten besucht wird,
und an welche sich Fachcurse im Nähen (von Wäsche und Kleidern) und
Zeichnen anschliessen; der Unterricht in der Holzschneidekunst und
Porceilanmalerei hat erst begonnen. Die Anstalt wird von 200 Schüle-
rinnen besucht, die meist dem kleinen Mittelstande angehören. Durch
die localen Verhältnisse ist es bedingt, dass sie sich auswärts, in den
Vorstädten, in kleinen Gruppen sammeln und ebenso wieder gemeinsam
die Schule verlassen, wo sie den grösstan Theil des Tages zubringen,
indem der Morgen dem theoretischen, der Nachmittag dem praktischen
Unterricht gewidmet ist. Noch unmittelbarer auf die Entwicklung der
praktischen Fertigkeiten ist das klösterlicbe Pensionat „Notre-dame-des-
Arts" gerichtet. Hier werden 130 Mädchen im Ornamentzeichnen, Glas-
und Elfenbeinmalen, Oel- und Aqnarellmalen, Steinzeichnen, Holz- und
Stahlgraviren, der Wachsmalerei, der Anfertigung künstlicher Blumen
und in der Musik unterrichtet.
Wie ferner einem Berichte des Herrn Emil Pereire jun. in der
Societe de protection des apprentis zu entnehmen ist, sorgen andere
Schulen wiederum für die Töchter der ärmeren Handwerker und Ar-
heiter, so insbesondere eine Anstalt in der rue Grenelle, wo die Elemente
des praktischen Geschäftsbetriebes, Wäschkunde und Feinbleichen gelehrt
werden. Auch an Einrichtungen, wie der Wiener Verein sie in seiner
Handschnhnähstube besitzt, fehlt es in Paris nicht. Durch eine solche
wurden unter Anderem die feinen Berliner Stickereien und Strickereien