Beilage zu Nr. 59 der „Mittheilungen etc."
Ueber die Photographie.
Eine Vorlesung von H. Hlasiwetz, gehalten im Oestsrr. Museum für Kunst und
Industrie 1868.
Wenn man von den Triumphen der Naturwissenschaften spricht und die
Wunder des 19. Jahrhunderts aufzählt, so nennt man vor Allem drei: die Dampf-
maschine, den Telegraphen und die Photographie.
Alle drei repräsentiren glänzende Entdeckungen auf drei verschiedenen physi-
kalischen Gebieten: die Dampfmaschine auf dem der Wärme, der Telegraph auf
dem der Elektricität, und die Photographie auf dem des Lichtes; Entdeckungen,
die, wie Jeder bei einigem Nachdenken iindet, Hnupthebel unserer Civilisution
geworden sind, Entdeckungen, deren wohlthiitige Wirkungen wir täglich emplinden,
die das Interesse eines jeden Einzelnen schon gefördert haben, die, so kurze Zeit
wir sie besitzen, uns schon so völlig unentbehrliche Bedürfnisse geworden sind,
dass sie aus unserem modernen Leben gar nicht mehr hinweg gedacht werden
können, soll es sein Chnrakteristischstes bewahren.
Wenn ich daher heute eine dieser Endeckungen, die Photographie, zum
Gegenstands einer näheren Erläuterung mache, so habe ich wohl den Vortheil,
ein Thema zu behandeln, für das mir Ihr Interesse von vornherein gewiss ist;
allein ich muss auch sofort der Schwierigkeit meiner Aufgabe mir bewusst werden,
dasselbe in dem kleinen Rahmen einer Vorlesung mit einiger Gründlichkeit auszu-
führen. Nur der Umstand möchte mir zu statten kommen, dass die Hauptziige der
photographischen Kunst nachgerade schon sehr allgemein bekannt sind, ich manches
ohne Deniinition voraussetzen, und mich wesentlich auf den chemischen Theil des
Verfahrens beschränken kann.
Dazu kömmt, dass trotzdem die chemischen photographischen Methoden sich
im Laufe der letzten Jahre ausserordentlich vervielfältigt haben, es doch vornehm-
lich eine einzige ist, die zur Stunde noch in prnxi am allgemeinsten ansgeiihrt
wird, während die meisten anderen über denZustnnd des Experimentes noch kaum
hinausgekommen sind.
Das Verfahren der Photographen beruht auf einer chemischen Wirkung des
Lichtes, die ein besonderer Fall der, durch dasselbe überhaupt erfolgenden Zer-
setzung chemischer Verbindungen ist, Zersetzungen die ihrestheils unausgesetzt vor
sich gehen und nirgends eine grössere Bedeutung haben, als in der Pflanzenwelt.
Ohne dass man angeben könnte, wie und unter welchen Bedingungen die
erste pflanzliche Vegetation zu Stande gekommen ist, kann man doch bestimmt
nachweisen, dass die vorhandenen bis auf einen verschwindend kleinen Theil im
Dunkeln lebenden Pdanzen ihre Existenz nur durch das Licht fristen, unter dessen
Einwirkung besonders die Kohlensäure der Atmosphäre, eines der wichtigsten
Nahrungsmittel, zersetzt werden kann.
Im Licht bildet sich jene grüne Substanz, die für die Pdsnzen so charak-
teristisch ist, das Chlorophyll, gewissermassen die Blutkörperchen des piianzlichen
Blutes und wie jene, die Träger der wichtigsten Pflanzenfnnctioneu.
Dass im Licht gefärbte Zeuge verbleichcn können, dass anderentheils das
Licht dunklere Färbungen hervorrufen kann, wie bei Hölzern, Papier u. dgL, sind
Beobachtungen, die Jedem zugänglich sind und an die ich nur zu erinnern brauche,
wenn ich Ihnen Beispiele für die umbildende oder zsrsetzende Wirkung des Lichtes
nennen soll. '
n: