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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1872 / 78)

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Hexerei angesehen. Auch wurde diese Kunst, trotzdem sie Einige verstanden, damals 
sehr wenig in Anwendung gebracht. Die meiste Waare, aus Messiugblech und Draht er- 
zeugt, wurde blos in stark mit Wasser verdünntem Alaun, oder, wie es jetzt genannt 
wird, in Vorbeize gereinigt, und dann mehrere Stunden in einem aus grober Leinwand 
eigens dazu angefertigten Sacke gesehenen, bis sie etwas blank wurde. Dagegen wer 
schon damals eine Versilberung auf kaltem Wege bekannt und auch angewendet. 
Um das Jahr 1810 erlernte ein gewisser Vincenz Heidrich aus Gablonz in Gitschin 
das Pfeifenbeschlagen, und dieser und sein Bruder Felix waren die ersten hier, welche 
Pfeifenbeschlage machten, welcher Geschäftszweig sich rasch uusbreitete und jetzt ein 
eigenes Fach der hiesigen Gürtlerei bildet. 
Der eigentliche Impuls zu der fortschreitenden, emporblnhenden, an Umfang und 
Mannigfaltigkeit gewinnenden Gürtlerei wurde um das Jahr x8x8 durch Philipp Pfeiffer 
e eben. 
g g Dieser besuchte damals schon ausländische Märkte und brachte unn Frankfurt zwei 
fremde Gürtler mit nach Gablonz, welche bei ihm in Arbeit traten. Diesen folgten spater 
mehrere andere nach, welche sich mit der Zeit hier selbstständig machten und ihr Ge- 
werbe ausübten. Sie arbeiteten schon feine Sachen, welche alle vergoldet wurden, wozu 
auch hier erzeugte fein geschliliene Steine verwendet wurden, die früher alle ins Aus- 
land gingen. 
Da nun diese Gürtler schönes Geld verdienten und sich in kurzer Zeit empor- 
arbeiteten, so konnte dies nicht verfehlen, dass sich einheimische Jünglinge veranlasst 
fühlten, diese bessere Gürtlerei zu erlernen und bei den Vorerwahnten in die Lehre zu 
treten. Von da an wurde es rührig in diesem Gewerbe. Der speculative Geist der Ein- 
heimischen, welche bei ihren Lehrherren etwas Besseres gesehen und gelernt, so wie 
manches andere protitirt hatten, fing allmälig an seine Schwingen zu entfalten und in 
einem Zeitraume von zwei Decennien waren die alten ausländischen Meister von ihren 
Schülern überßügelt. Aber das Unkraut wuchs auch auf diesem Felde, wie überall, mit 
dem Weizen. 
Während sich von Periode zu Periode einzelne Gürtler, die ein richtiges Verstand- 
niss für diesen lndustriezweig besessen, alle mögliche Mühe gaben und keine Kosten 
scheuten, um eine immer bessere und geschmackvoller: Wnare zu erzeugen und den Auf- 
schwung dieses lndustriezweiges nach Kräften zu fordern, Ctberbot oder gefiel sich die 
Mehrzahl in Anfertigung solcher Waare, welche fuglich werthlos genannt zu werden ver- 
diente, - und an diesem Krebsschaden leidet die hiesige Industrie trotz ihres immensen 
Fortschrittes noch heute. 
Bis um das Jahr t833 waren die Werkzeuge bei der hiesigen Gürtlerei sehr man- 
gelhaft und unvollkommen. Sie bestanden bei schon grösserem Betriebe nur in einem 
Schraubstock, einigen Feilen und kleinen Zangen; mitunter wurde auch ein Feilkloben 
sichtbar und ein Fassung- oder Walzenzug. Von da an trat eine nicht unwesentliche 
Aenderung in Erzeugung der Gürtlerwaaren ein. , 
ln diese Zeit fallt der Anfang von Erzeugnissen aus gepressten Bestandtheilen, 
welche mittelst-eines Stempels aus gutem Stahl, in welchem das Muster eingravirt und 
der Rand nach der Contour des Musters ganz scharf schneidend zugefeilt war, auf schwach 
getzriebenem Blei ausgeprägt und durch die scharfe Schneide des Stempels zugleich ab- 
geschnitten wurden. Wenn früher zumeist Fingerringe das Hauptproduct der Gurtlerei 
bildeten, so wurden jetzt aus den gepressten Bestandtheilen Ohrringe, Vorstecknadeln, 
Kreuze u. dgl. angefertigt und überhaupt eine grossere Mannigfaltigkeit der Lieferungs- 
artikel erzielt. ' 
Auch hatte sich damals schon die hier übliche Manipulation in Anfertigung der 
Pfeifenbeschllge stark überlebt und die Concurrenz, welche uns von Nixdorf bereitet wurde, 
drohte diesen lndustriezweig hier brach zu legen. Da war es vor Allen Anton Rossler, 
ein damals junger, rüstiger, untemehmhngslustiger Mann, der mit Eifer und Ausdauer der 
Gefahr entgegenzutreten wusste. 
Es bestand nämlich zwischen den Nixdorfer und Gablonzer Beschlägen nicht allein 
der Unterschied, dass die ersteren viel sauberer, geschmackvoller gearbeitet waren, son- 
dern hauptsachlich der, dass die Untertheile und Deckel der Nixdorfer Beschläge nur aus 
ie einem Stücke bestanden, hingegen die hiesigen aus Theilen zusammengelothet waren, 
viel mehr Arbeit gaben und trotz aller Mühe doch nicht so geschmackvoll hergestellt 
werden kannten. 
_ Bei diesem Umstande erhielt die Nixdorfer Waare immer den Vorzug, während 
die hiesige einen bedeutenden Rückgang erlitt. 
Um nun eine der Nixdorfer ähnliche Wanre herzustellen, blieb nichts anderes übrig, 
als die sehr schonen, künstlich geformten Deckel von dort zu beziehen, wodurch aber 
dieser lndustriezweig hier keine Selbststandigkeit erlangte. 
_ Der vorerwahnte Anton Rössler, der seinen Bedarf an Deckeln ebenfalls aus 
Nixdorf bezog, machte mehrere Reisen dorthin, in der Absicht, die Werkzeuge zu sehen,
	        
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