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auf Märkte, Strassen und in die Buden des schlichten Handwerkers herab-
gestiegen. Das Handwerk hat sich losgerissen von der kleinbürgerlichen
Gebundenheit, es ist Grossindustrie geworden und kommt dem Bedürf-
nisse und dem Geschmacke ganzer Völker und Jahrhunderte entgegen,
ohne deren wechselnden Launen und Moden zu fröhnen und die alte
Tüchtigkeit der ihm durch den Stoff an die Hand gegebenen Technik
einzubüssen. In dieser Vereinigung der Kunst mit der lndustrie ist die
hohe Rangstellung Athens auf dem hier besprochenen Gebiete begründet.
Athen bietet uns zum ersten Mal in der Geschichte das Bild einer indu-
striellen Weltmacht, deren Producte ebenso sehr den Ansprüchen der
Schönheit wie den praktischen Erfordernissen der Billigkeit und Solidität
genügen. Dass hierin das ganze Heil für das kunstindustrielle Schaffen
beschlossen ist, das brauche ich an dieser Stelle kaum anzudeuten. Wir}
alle haben es mit angesehen, und sehen es noch, wie schwer sich das
der Mode und dem rohen Geschmack _der Menge preisgegebene Hand-
werk zur stylvollen Schönheit emporarbeitet. Kaum aber ist die Wieder-
vereinigung von Handwerk und Kunst gelungen, so stelltsich eine Ver-
theuerung der Production ein, welche den Segen der Schönheit dann
wieder nur den Luxusgegenständen und besonders bevorzugten Classen
der Gesellschaft zu Theil werden lässt. Dass diesem Uebelstande ge-
steuert uxid das mit Schönheit getränkte Handwerk zur wirklichenKunst-
industrie entwickelt werde, darin besteht die Aufgabe unserer Zukunft.
Damit gewinnt also das alte Athen auch auf dem Felde des industriellen
Lebens, wie auf dem der Wissenschaft und Kunst, die Bedeutung der
classischen, der vorbildlichen Stadt. Wenn es mir gelungen sein sollte,
sie als solche in dem engen Rahmen dieser Vorträge vor lhren Augen
wieder lebendig zu machen, so wäre meine Aufgabe erfüllt.
Tiroler llarmor.
In der Angelegenheit wegen Errichtung einer Zeichnenschule, welche
den Zweck haben soll, die Gewinnung und Bearbeitung des Vintschgauer
Marmors, der in den Brüchen bei Laas im Etschthale so reichlich vor-
kommt, durch geregelte Production vom volkswirthschaftlichen und kunst-
industriellen Standpunkte zu heben, sind in neuester Zeit bedeutende
Fortschritte gemacht worden. Nachdem, wie wir unseren Lesern bereits
mittheilten, von Seiten der dortigen Ortsgemeinde und des gegenwärtigen
Besitzers der Marmorbrliche, Herrn Steinhäuser, die allseitigste Bereit-
willigkeit, das Unternehmen zu unterstützen, erklärt wurde, hat das hohe
Handelsministerium den Professor der Kunstgewerbeschule des Oesterr.
_ Museums, Herrn Architekten Valentin Teirich, beauftragt, das Locale
und die gegenwärtigen Zustände der Steinbrüche und der damit verhun-
denen Arbeiten zu besichtigen und über die Resultate hierüber Bericht