Wollte man auf alles Neue aufmerksam machen, so müsste man eben das Buch
abschreiben; die folgenden mehr gelegentlichen Bemerkungen können nur den Zweck
haben, auf die Mannigfaltigkeit des Stoffes hinzuweisen. Im ersten Capitel nGoldschmiede-
kunstc werden wir mit der zahlreichen Familie de Sesto bekannt gemacht, von denen
besonders Bernardo di Marco um das Jahr i4oo die venezianische Goldschmiedekunst,
wie es eine Reihe erhaltener oder nur in Beschreibung überlieferter Werke beweisen,
auf ihren Gipfel gebracht zu haben scheint. Man dürfte, glaube ich, nicht fehlgehen,
wenn man den Urheber des berühmten Kreuzes im Domschatze zu Gran als einen Nach-
folger dieser Künstler bezeichnete. Etwas später erscheint Paolo Rizzo, oder wie er sich
nach den Tarsiaarbeiten, in welchen er besonders glanzt, benennt, Paolo Ageminius, als
erkennbare Individualitat. In der Geschichte der Bronzearbeit (Cap. ll) erhalten wir be-
merkenswerthe Mittheilungen auch über die Arbeiten der grossen Bildnerei. Zum ersten
Male wird uns der Autor der vielgenannien Bronzebüste bekannt, des Mannes mit dem
reichen Lockenhaar im Museo Correr, und wohl Niemand, der sich mit oberitalienischer
Plastik beschäftigt, wird nicht überrascht gewesen sein, zu hüren, dass diese sonderbare
Arbeit von dem Paduaner Andrea Riccio herrührt und den Admiral Andrea Loredan
darstellt. Urbani hat eine Abschrift der alten Marmorbaais gefunden, welche sich noch
im Besitze des Gründers des Museums befand. Solche wichtige Entdeckungen werden
aber bei der Fülle des Stoffes nur nebensächlich in einem Satze mitgetheilt, was so recht
deutlich den zusammengedrängten Reichthum beweist.
Noch bedeutsamer ist die Klarstellung von Gentile Bellini's Reise nach Constanti-
nopel; der Verfasser belehrt uns aus Documenten, dass der berühmte Maler, damals im
Auftrage der Republik eben mit der Ausmalung des großen Rathssaales beschäftigt, nicht
in dieser seiner Eigenschaft als Maler von der Signoria an den Sultan geschickt wurde,
sondern als Bildhauer und Broiizegießer, wohl hauptsächlich um die Medaille des Sultans
zu fertigen. Wird uns dadurch erklarlicher, warum ihn in Constantinopel gerade ein
plastisches Werk, wie die Basreliefs der Theodosiussaule beschäftigten, so wird durch
den Umstand, dass seine Begleiter zwei Gesellen des Bronzegiellers Bartolomineo waren,
die Annahme hinfällig, die von Cavalcaselle aufgestellt, auch anderswo nachgesprochen
wurde, dass Vittore Carpaccio einer seiner Begleiter gewesen sei. Möge sich der Verfasser
entschließen, recht bald im Archivio Veneto oder in einer ähnlichen Zeitschrift die
betreffenden Documente vollständig mitzutheilen. Das Grabmal Baptista Zeno's in S. Marco,
dessen Errichtung zum erstenmale richtig nach dem in Vorbereitung stehenden ersten
Bande des Textes zu dem bei Ongania erscheinenden Werke über die Marcuskirche
erzählt wird, leitet uns in das dritte Capitel, die Holzschnitzerei, hinüber, indem hier
der Antheil des Paul Savin, eines Holzschnitzers, zuerst genau festgestellt wird. Von
diesem Paul Savin dürften sich wohl noch mehrere Werke in Venedig finden; der Altar
in den Frari, auf welchem sich der Johannes des Donatello befindet, wird rnit seinen
Statuen und Ornamenten gewiss von ihm herrühren, sowie die Seite toz abgebildete
Holzfigur der Sammlung Martinet.
In einer hochst lehrreichen Aufzählung der Werke der Holzschnitzer in Venedig,
wie sie sich meist als Plafonds oder Chorstühle an die Architektur gebunden zeigen, aber
auch als Freistatuen an Gräbern und Altaren sich finden, hat der Autor merkwürdiger-
weise auf die schöne Holzbüste des heil. Bernardin in der Sacristei von S. Giobbe ver-
gessen, die unzweifelhaft von dem Dogen Christophoro Moro dahin gestiftet, uns wie kein
zweites Werk den hohen Stand der venezianischen Portraitkunst noch vor dem Eindringen
der Renaissance zeigt. Die Büste dürfte auch als Zeugniss für die körperliche Erscheinung
des berühmten Predigers den ersten Platz beanspruchen. An das vierte Capitel über
Weberei, durch bemerkenswerthe Mittheilungen aus den Matrikeln der Weber interessant,
schließt sich ein Anhang: Recepte für Seidenfarberei aus dem Buche des Giovanni
Rosetti lPlicto de l'arte de tentoriu aus dem Jahre 154g. Es ware nur zu wünschen,
dass einmal Versuche gemacht würden, die hier ausgesprochenen Vorschriften in An-
wendung zu bringen, bei ihrer Klarheit und Ausführlichkeit dürfte es wohl gelingen,
der Seide eben jene glühenden und haltbaren Farben zu geben, welche uns an den alten
Geweben entzücken. Ich würde den mir zugemessenen Raum überschreiten, wenn ich ebenso
Mittheilungen aus den folgenden Capiteln: V.Sticlterei, VI. Keramik, Vll. Glas, VIII. Eisen
und IX. Kupfer folgen ließe. Sie enthalten nicht weniger reiches, nicht weniger neues
Material als die vorangehenden.
Man darf es getrost sagen, dass das vorliegende Werk zu dem besten gehört, und
zu dem auch seinem Inhalte nach bedeutendsten, was über Kunstindustrie geschrieben
wurde. Wenn der Verfasser sich entschließen wollte, die Arbeit über die Zeit,_die er
hier im Auge hatte, hinauszuführen, so würde er uns sehr zu Danke verpflichten. Er ware
vielleicht auch der Einzige, der ein noch größeres Werk unternehmen könnte, namlich
eine vollständige Geschichte der venezianischen Zünfte zu liefern, die bisher fehlt. aber
für welche a0 reiches Material vorliegt. Oder wollte er wenigstens eine Gesammt-Publltßtlün
aller auf diesen Gegenstand bezüglichen Docuiuente in die Hand nehmen. F. W-