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Volltext: Alte und Moderne Kunst I (1956 / Heft 1)

ALTWIENER 
BÜRGERMÜBEL 
WILHELM 
4RAZEK 
Die letzten Jahrzehnte haben auf dem Gebiete der Wohnkultur 
das Verständnis und die Vorliebe für die Altwiener Bürgermöbel 
des 18. und frühen 1'). Jahrhunderts geweckt. Besitzt doch ge- 
rade das bürgerliche Mobiliar der thcresianischen und josephi- 
nisehen Epoche und der Biedermeierzeit jene Qualitäten, die es 
in hohem Grade für die modernen Wohn- und Rnumverhält- 
nisse geeignet machen. 
Der soziale Umschichtungsprozeß zugunsten des Bürgertumes 
während der Regierungszeit der Kaiserin Maria Thcresia brachte 
auch einen weitgehenden Wandel der Wohnkultur mit sich. 
Zeigen die für den barocken Repräsentationsraum bestimmten 
Möbeltypen vorwiegend französischen Einfluß, so war der Tisch- 
ler dort, wo er für den Bürger arbeiten konnte, frei von jeder 
sklavischen Imitation. So entstanden jene selbständigen Schöp- 
fungen, deren Aufgabe es war, den Bedürfnissen einer bürger- 
lichen Häuslichkeit in zweckmäßiger Weise zu dienen. 
Tubarnakelsehrank. um 1740, Uxlnrralchlschnx Museum für angownndte Kunst 
Wllnur Sakrcllr. um 1820. Üshrrulchlschus Museum für ungewlndh Knnsi 
Wohl der eindrucksvollste und charakteristischste Zeuge für 
das handwerklich und künstlerisch hochstehende Tischler- 
gewerhe Wiens im 18. jahrhundert ist der Tabernakelschrank, 
der als eine Kombination von Kommode, Sekretär und Aufsatz- 
kasten sich in vielfältiger Weise verwenden läßt. Als ein archi- 
tektonisches Gebilde mit breitschwingenden und gebrauchten For- 
men sind in ihm die barocken Stilelemente mit bürgerlicher 
Behäbigkeit vereinigt. Versehiedenfnrbigc einheimische Holz- 
arten und reizvolle Maserungen zeigen den Sinn für Effekt. 
Sorgfältige Einlegearheiten und gediegene Ausführung machen 
das große technische Können anschaulich. 
Auf die geschwungenen Formen der theresianischen Zeit folgen 
die gradlinigen, einfach-strengen Möbeltypen der josephinisehen 
Epoche und des Klassizismus. In der reinen Zweckform des 
Möbels kommen in erster Linie die Gesetze der Konstruktion 
zum Ausdruck. Als spärlichcr Dekor dienen Ornamente aus dem 
wiederentdeckten Formenschatz der Antike. 
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