KUNST UND HOBBY
JOHANN BERNHARD FISCHER VON ERLACH'S
300. GEBURTSTAG
PAUL WERBER
Wir haben in der vorigen Nummer unseres
Blattes die cngverknüpften Beziehungen aufge-
zeigt, die zwischen den schönen Künsten und
dem Hobby bestehen, und die These aufgestellt,
in Briefmarkenbildern beispielsweise spiiegle
sich die ganze Welt. Daß diese etwas hoch-
trabende Behauptung aber nicht nur "geogra-
phisch" gemeint ist - wie man allenfalls ver-
stehen könntc --, sondern auch spezifisch kul-
turelle, ja künstlerische Belange vieler Epochen
unserer Zeitalter erfaßt, soll heute unter Beweis
gestellt werden.
Ein freundlicher Zufall will es, daß just in
diesen Tagen einer der größten Barockbau-
meister der Welt jubiliert. Am 20. Juli 1656
erblickte ein Knabe als zweitgeborener Sohn
des Bildhauers Johann Baptist Fischer im Hause
Frauengasse 5 in Graz, das Licht der Welt.
Johann Baptist Fischer, der die Witwe seines
Namen, welcher bis heute überliefert blieb.
Johann Bernhard Fischer von Erlaelfs Gesamt-
schaffen zu beschreiben, würde den Rahmen
dieses Aufsatzes bei weitem sprengen. Bild-
haueriscbe Arbeiten von seiner Hand finden
wir an der Pestsäule am Wiener Graben, am
Mausoleum Ferdinands ll. in Graz und an der
Perchtcldsdorfer Pestsäule. Von ihm stammen
die Entwürfe zum Brünncr llerkulesbrunnen
und zum Hochaltar der Wallfahrtskircbe zu
Mariazell. Salzburg verdankt ihm das prächtige
Portal am Hofn-iarstall, die graziöse Schnecken-
stiege im Dorn, das später leider stark vcr-
änderte Schloß Klcsheim und den vielbcstaun-
ten prachtvollen Hoehaltzir in der Franziskaner-
kirche. Daneben aber vier sehenswerte Gottes-
häuser, deren Baupläne für Johann Bernhard
Fischer von Erlach geradezu typisch sind, näm-
lich die Dreifaltigkeitskirche, die Kollegien-
jelzt das Finanzministerium befindet. Nicht
vergessen werden darf das Clam-Gallas-Palais
in Prag, das Trautson-Palais, wie die „Böh-
mische Hofkanzlei" in Wien. der sich die schöne
Kurfürstenkapelle am Dom zu Breslau und das
Stift llerzogenburg anschließen. Die aufsehen-
erregende Schönheit der Wiener Karlskirche
und die ideale Linienführung der Hafbibliothek
(Nationalbibliothek) gelten als typische und
repräsentative Werke des unsterblichen Bau-
künstlers, dessen 300. Geburtstag die Nachwelt
am 20. Juli feiert.
Daß diese dankbare Nachwelt verständnisvoll
der säkularen Bedeutung Fischer von Erlach's
gerecht wird, dokumentieren zahlreiche öster-
reichische Postwertzeichen, die förmlich dazu
geschaffen scheinen. das Lebenswerk eines Bau-
künstlers zu illustrieren. Sein Porträt, das, ent-
wnrfen von Professor Robert Fuchs, vom aka-
v: x "l l" V
Abb. 1
ehemaligen Berufskollegcn Sebastian Erlacher
geheiratet hatte, ließ das Kind auf den Namen
Johann Bernhard taufen und lehrte den heran-
wachsenden Jüngling die Kunst der Bildhauerei.
Reisen nach Prag und Italien erweiterten die
Kenntnisse und den Blick des jungen Kunst-
elev-en und hinterließen bei ihm bedeutende Ar-
chitektureindrückc, die er später zur Zierde
vieler Städte so glücklich verwerten sollte.
Noch im jugendlichen Alter von 31 Jahren
wurde der hochtalentierte Johann Bernhard
Fischer zum Lehrer für Zivilarchitektur beim
neunjährigen Kronprinzen Joseph bestellt und
dieses Ereignis dürfte entscheidend für seinen
späteren Weltruhm beigetragen haben. Schon
ein Jahr nach der Krönung Josephs I. zum Rö-
mischen König (1691), ernannte ihn sein könig-
licher Schüler und Gönner zum „Architekt des
Königs von Ungarn" und verlieh ihm um das
Jahr 1705 (i) den erblichen Adel mit dem
Prädikat „von Erlach", also dem mütterlichen
kirche, die Ursulinenkirche und die Johannes-
spitalkirche.
Vom Herrscher beauftragt, einen Entwurf für
das Lustschloß Schönbrunn vorzulegen, wuchs
der Künstler über sich selbst hinaus. Sein erster
Entwurf hätte das prächtigste Barockgehäude
der ganzen Welt erstehen lassen. Er scheiterte
an der Kostenfrage, und sein zweiter, viel
schlichterer Entwurf gelangte dann zur Bau-
ausführung, wurde aber obendrein noch ver-
schiedentlich von seinem Sohne Joseph Emanuel
und vom Architekten Nicolaus Paccasi umge-
staltet und „verwässerfi Trotz allem zeigt der
fertige Bau noch immer das Genie scines
Schöpfers.
Von den unzähligen weiteren Prachtbauten Jo-
hann Bernhard Fischer von Erlach's müßte man
erwähnen Schloß Engelhartstetten, Palais Lob-
kowitz, ehemals Dietrichstein, das Schönborn-
Palais, ehemals Batthyany und den früheren
Stadtpalast des Prinzen Engen, in dem sich
demischen Maler Rudolf Toth in sprüden Stahl
gestochen, die neueste österreichische Sonder-
marke (Ausgabetag IG. Juli 1956) zieren wird,
mutet uns keineswegs fremd an, d: bereits am
2. Dezember 193-1 eine 24-Groschenmarke der
sogenannten „Baumeister-Serie" mit dem Bild-
nis dcs Künstlers emittiert wurde, deren Ent-
wurf und Stich von Professor Hans Ranzoni
d. J. stammt. Die Kuppel der von Fischer er-
bauten Kollegicnkirche erblicken wir im Hin-
tergrunde des (iO-Gruschenwertes der "Salzbur-
ger Dnmbau-Serie" vom 6. August 1948 nach
einem Entwurf Sepp Jahns, deren Stich Inge-
nieur Teubel besorgt hat (Abb. l).
Es versteht sich natürlich, daß Schloß Schön-
brunn auf Markenbildern nicht fehlen darf.
Wir finden in den beiden Jubiläumsserien von
1908 und 1910 dcn Z-Kronenwert, entworfen
von Koloman Moser. gestochen von Professor
Ferdinand Schirnböck, der uns die prachtvolle
Frontansicht des kaiserlichen Lustschlosses
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