Abb. 5
Franz II. m ulnom Arbollnxlmmur In
du Wloncr Holburg. Stich von J. Ko-
nmh nnch nlnor Zolchmmg von S1.
Dtcknr.
Llnnr Teppich um 182D
(an. 660 : 770 zum)
Bordüre zur Folge. Hier geht naturgemäß die formen- und
mustermäßige Beziehung am leichtesten verloren. Dieselbe Bor-
düre kann nun für Teppiche mit ganz verschiedener Innendeko-
ration verwendet werden und auch die Größe des Teppichs spielt
für die Gestaltung des Randes keine entscheidende Rolle. Wie
das Innenfeld selbst keine in sich abgeschlossene Einheit bildet,
so besitzt auch die Bordüre nicht mehr die Funktion eines festen
Gegengewichtes zu dessen Komposition, sondern den Charakter
einer Randleiste, die den jeweils gewählten Ausschnitt umgrenzt.
Auch sie erhält dementsprechend ein fortlaufendes Muster, das
gleichmäßig weitergeführt wird, ohne vor allem auf eine Be-
tonung der Ecklösungen Rücksicht zu nehmen. Diese nur sehr
lockere Beziehung der Bordüre zum Innenfcld läßt erkennen,
daß sie in diesen Teppichen keineswegs mehr eine künstlerische
Notwendigkeit darstellt. So wie die für sich allein behandelte
Randleiste, kann auch der zu bedeckende Boden selbst den Aus-
schnitt aus dem Muster bestimmen, das sich nun einheitlich über
den ganzen Raum ausbreitet. (Abb. 5.) Die Gleichmäßigkeit und
Richtungslosigkeit einer solchen Dekoration läßt die auch im
Klassizismus gewahrte Beziehung der Teppiche zur Decken-
dekoration kaum mehr erkennen.
Die immer weitergehende Auflockerung des inneren Zusammen-
hanges der einzelnen Teile der Raumdekoration zu für sich allein
bestehenden Einzelstücken, die sich im Klassizismus schrittweise
vollzieht, drängt zu einer völligen Lösung der beweglichen Aus-
stattungsstücke vom architektonischen Zusammenhang. Diesen
Bruch mit der aus dem Barock stammenden Bindung der
Teppichdekoration an die Plafondgliederung vollziehen die Mu-
ster der Biedermeierzeit. jeder Rest einer architektonisch an-
mutenden strengen Gliederung wird nun aufgegeben und das
einfarbige Innenfeld mit einem richtungslos sich über die Fläche
ausbreitenden Streumustcr erfüllt. Diese Teppiche sind auch
ihrem Wesen nach bewegliche Möbelstücke, die sich mit den
anderen Gegenständen der Einrichtung verbinden, ohne auf
die umgebende Architektur Rücksicht zu nehmen. Dieser Abkehr
von jeder architektonischen Bindung entspricht nun ein engerer
Zusammenschluß der einzelnen kunstgewerbliehen Bereiche
untereinander. In den Mustern der Biedermeierteppiche kommt
der voll ausgebildete Naturalismus der Zeit voll zum Durch-
bruch. Die bunten Blumen und Sträußc verbinden die Teppich-
muster jetzt eng mit den anderen Zweigen der Textilkunst, vor
allem der Stickerei und auch den Vorlagen der Weberei und
Druckstoffe, aber in vielen Beziehungen auch mit materialmäßig
ganz anderen Bereichen des Kunstgewerbes, wie etwa der
Porzellanmalerei. Der textile und flächenhafte Charakter der
Teppiche wird damit in weit höherem Maße als früher hetont
und damit die Beziehung zu den Möbelüberzügen und dekora-
tiven Stickereien besonders deutlich. Diese starke Betonung des
eigenständigen kunstgewerblichen Charakters der Stücke führt
im Biedermeier zu einer bedeutenden Blüte aller Zweige des
Kunsthandwerks. Auch in den sogenannten „Linzer Teppichen"
werden in dieser Zeit die besten und originellstcn Lösungen
gefunden.
Weniger in den verwendeten einzelnen Sehmuckformen als in
den Kompositionsprinzipien macht sich hier der Bruch mit der
im Klassizismus endigendcn Tradition der Baroektcppiche gel-
tend. Aber auch dabei handelt es sich nicht um einen unver-
mittelten Abbruch, sondern um die konsequente Durchsetzung
der im späten Klassizismus schon angebahntcn Prinzipien. Die
einheitliche Innenraumgestaltung nach dekorativen Gesichts-
punkten, der die Baroekteppiche wesentliche Impulse verdanken,
hat im Klassizismus ihre Bedeutung allmählich eingebüßt. Auf
ganz veränderter Grundlage und mit künstlerisch ganz anderen
Mitteln hat erst der Historismus dieses Bestreben wieder auf-
genommen, ohne allerdings die direkte Verbindung mit der Ba-
rocktradition wieder herstellen zu können, die im Klassizismus
noch bestand. In diesen jahrzehnten findet aber nicht nur die
Baroektradition ihr Ende, sondern zugleich werden wesentliche
Neuerungen für den weiteren Verlauf der künstlerischen Ent-
Wicklung des 19. Jahrhunderts angebahnt.
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