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Volltext: Alte und Moderne Kunst I (1956 / Heft 4)

Abb. 2. Paul CGunnc (1839-1906), Sclbslporiril aus den Juhron 1379-82 
(Kunstmuseum Bam) 
drohlichen „Weg mit Cypresse und Stern", der ein einziges krei- 
sendes Strömen und Flackern ist. Aber das „Saatfeld bei auf- 
gehender Sonne" mit seiner diagonalen rotblauen Mauerschlange, 
der „Tannen- (eigentlich Föhren-) wald mit untergehender 
Sonne", auf dem wie auf dem Bilde „Rasen und Blumen im Park 
bei Baumstamm" die Bäume hart und tot auf der Leinwand ste- 
hen, und erst recht der „Spitalsgarten des Klosters St. Paul" 
mit seinen flirrenden Details sind schon nur noch psychische Be- 
drängnis. Auch von den letzten beiden Lebensmonaten van Goghs 
bei Dr. Gachet in Auvers sur Oise sind nicht etwa die starken 
Bilder wie das Porträt des Dr. Gaehet, das Kornfeld mit Krähen 
oder die Kirche von Auvers, sondern nur die Ausklänge sozu- 
sagen der Erschöpfung ausgestellt, die dann mit dem Freitod 
van Goghs am 29. juli 1890 abschließt. 
Der 14 jahre früher geborene Cezanne hat van Gogh auch 
um 16 Jahre überlebt. Beider Schicksal waren der Widerstand 
des Vaters, der mühselige Beginn und der ebenso lautere und 
unbeirrbare wie demütig-bescheidene Wille zu einem gültigeren 
Bilde von der Wirklichkeit zu eigen, nur daß van Gogh die 
Welt gleichsam an sein Herz zu reißen trachtete, während 
Cezanne sich vor ihrem geheimen Sein, das sich nur dem Stil- 
len und Leisen mitteilt, völlig zurückzuhalten, ja auszulösehen 
strebte. Eines der ersten großartigen Beispiele dieser Haltung 
und ihrer malerischen Konsequenz ist der „Bahndurchstieh" von 
186711870 der Münchner Staatsgalerie. Die spätere „Dorfstraße, 
Auvers", die „Seine bei Berey" und die zauberhafte „Eremitage, 
Pontoise" (aus Wuppertal) sind erst auf das gleiche Ziel hin 
unterwegs. In den Bildnissen und Selbstbildnissen jedoch, in Still- 
leben und Landschaften zwischen 1880 und 1900 setzt sich da 
die gemalte „Harmonie parallel zur Natur", als welche Cezan 
die Kunst verstanden wissen wollte, immer klarer durch. 
Die „Kastanienbäume", die graublaue „Halhfigur eines Bauen 
eine kleine Studie der „Badenden", das „Unterholz" (18971189 
der „Sitzende Mann", das aus prismenartigen farbigen Facett 
festgefügtc „Chateau Noir" von 1904f1906 und nicht zuletzt c 
in seiner rührenden Unbeholfenheit ergreifende Selbstbildnis n 
dem schwarzen Hut aus dem Berner Kunstmuseum sind c 
wichtigsten Stationen auf diesem Wege. Sie finden in den n 
einer fast an die Chinesen gemahnenden Sparsamkeit der Fat 
und Formaussage hingesetzten Baumstudien, deren schön: 
E. M. Remarquc gehören, ihre aquarellistische Entsprechur 
Cezanne hat langsam gearbeitet und war nie mit sieh zuiriedt 
Stets fürchtete er, dem Thema in seinen Motiven Gewalt 'anz 
tun. Nach 115 Sitzungen zum Porträt von Ambroise Volla 
fand er den „Hemdaussehnitt nicht ganz schlecht geworder 
Ihm ging es um eine solide Malerei, fest und dauerhaft „wie t 
Kunst der Museen". Auf diese feste Dauerhaftigkeit war au 
sein berühmtes, doch fast schon zur Phrase herabgewürdigt 
Wort von „Kugel, Kegel und Zylinder", wie die „sich alles 
der Natur modelliert", gestimmt. Er selber freilich vergißt na 
einem Wort zu Joachim Gasquet seine „Mätzehen" sofort, s 
bald er zu sehen anfängt. Seine genannten, aus „moduliert 
Farben" gebauten Bilder jedenfalls strömen eine Ruhe und Tit 
aus, die nicht aus Formeln kommen, sondern nur dort Ereigi 
werden, wo wirklich das stille und geheime Sein im Dase 
seine gültige Gestalt erhält.
	        
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